Vielleicht verdanken wir die unglaublichen Kinderbücher von Roald Dahl einem kräftigen Schlag auf den Hinterkopf. So jedenfalls hat es der britische Autor immer wieder gerne dargestellt. Der Überlieferung zufolge hat Dahl, der eigentlich bei der Shell Oil Company sein Dasein fristen möchte, sein Initialerlebnis als Kampfpilot der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg in Ägypten. Als er nach einer falschen Zielangabe wegen Treibstoffmangels in der Wüste abstürzt, zieht er sich eine schwere Kopfverletzung zu. Anschließend liegt er drei Monate lang in einem Militärhospital, wo er Stift und Papier zur Hand nimmt.
"Meine kleine, bequeme Theorie ist nun, dass ich deshalb mit dem Schreiben anfing", wird Dahl später behaupten. Tatsächlich verarbeitet er den Flugzeugabsturz 1942 zu seiner ersten veröffentlichten Kurzgeschichte. Später kommen dann mehrfach verfilmte Kinderbuchklassiker wie "James und der Riesenpfirsich" (1961), "Charlie und die Schokoladenfabrik" (1964) oder "Matilda" (1988) dazu – wobei Dahl immer angetrieben wird von seiner "unheiligen Furcht, den Leser zu langweilen".
MI6 und Willy Wonka
Geboren wird Dahl 1916 im kleinen Ort Llandaff in Wales. Als sein Vater stirbt, ist er noch ein kleines Kind. In der Schule fällt er neben herausragenden sportlichen Leistungen vor allem durch Streiche auf. Statt nach dem Schulabschluss zu studieren, wie es der Wunsch der Mutter ist, macht er ab 1934 bei der Shell Oil Company eine kaufmännische Lehre: vor allem, weil damit die Möglichkeit verbunden ist, ins Ausland überzusiedeln. 1936 geht er im Auftrag von Shell nach Daressalam in Tansania. Drei Jahre später wird er wie alle in der Stadt wohnenden Briten zum Offizier ernannt. Danach absolviert er in Windeseile eine Pilotenausbildung. 1941 kämpft er unter anderem in der "Schlacht von Athen", die er trotz der fast zwanzigfachen Übermacht deutscher Flugzeuge überlebt.
1942 wird Dahl nach Washington D.C. versetzt, wo er unter anderem als Agent für den britischen Geheimdienst MI6 arbeitet. 1953 heiratet er die Hollywoodschauspielerin Patricia Neal, mit der er 30 Jahre lang verheiratet ist. Aus der Ehe gehen fünf Kinder hervor; Tochter Tessa Dahl bringt ebenfalls Romane und Jugendbücher heraus. 1967 schreibt Dahl das Drehbuch für den James-Bond-Film "Man lebt nur zweimal", ein Jahr später für die Actionkomödie "Tschitti Tschitti Bäng Bäng" über ein intelligentes Auto. Auch seinen Roman "Charlie und die Schokoladenfabrik" über den s armen Jungen Charlie Bucket, der gemeinsam mit vier anderen Kindern einen Besuch der phantastischen Fabrik Willy Wonkas gewinnt und am Ende dessen Nachfolger wird, arbeitet er 1971 fürs Kino um – auch wenn die farbenfrohe und mit großem Trickaufwand gedrehte Adaption von Tim Burton mit Johnny Depp in der Hauptrolle (2005) ungleich populärer wird.
Die verspeiste Mordwaffe
Neben Kinderbüchern, die der Zeichner Quentin Blake kongenial illustriert, schreibt Dahl auch Kurzgeschichten für Erwachsene, die vor allem durch ihren schwarzen Humor bestechen. Wie bei seinem Erweckungserlebnis zum Schriftsteller spielen auch hier Schläge auf den Hinterkopf bisweilen eine wichtige Rolle - auch wenn sie nicht zur Erkenntnis führen, sondern zum Tod. So ist es in Dahls wohl bekanntester Geschichte "Die Lammkeule", in der eine Mörderin den zum Tatort geeilten Polizisten jenes Corpus Delicti zum Essen serviert, mit dem sie in gefrorenem Zustand ihren Mann erschlug.
Roald Dahl stirbt am 23. November 1990 in Great Missenden in der Grafschaft Buckinghamshire an Leukämie. 2005 eröffnet hier ein dem Schriftsteller gewidmetes Museum, das unter anderem Dahls Schreibhütte beherbergt. Eine von Dahl gegründete Stiftung setzt sich bis heute unter anderem für die Bekämpfung des Analphabetismus ein.
Stand: 23.11.2015
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