"Die Geschichte des Kakaos ist eine von Zwangsarbeit und unglaublicher Brutalität", sagt die US-Anthropologin Kathryn Sampeck, die zur Kulturgeschichte der Schokolade forscht. Kakao sei vor ungefähr 4.000 Jahren im Amazonasgebiet im nördlichen Südamerika zum ersten Mal angebaut worden.
Aus der Region zwischen dem heutigen Ecuador und Venezuela gelangt die tropische Pflanze nach Mexiko und Mittelamerika. "Wir haben Flaschen mit langen Hälsen überall entlang der Pazifikküste und der karibischen Küste gefunden", sagt Professorin Sampeck. "Überall findet man diese typischen Kakaogefäße."
Kakaobohnen als Zahlungsmittel
Für die präkolumbischen indigenen Völker der Olmeken, der Maya und der Azteken gehört der Konsum von Kakao seit Jahrtausenden zum Alltag. Er ist nicht nur eine Opfergabe für die Götter und wird zu Hochzeiten verschenkt. Kakaobohnen werden auch als Zahlungsmittel verwendet.
Mit der Eroberung Mittel- und Südamerikas durch die Spanier im 16. Jahrhundert lernen auch die Europäer die Kakaobohnen und deren Wert kennen. Fernando Kolumbus, der Sohn von Christoph Kolumbus, nennt die Bohnen 1502 in seinem Reisebericht "eine Art Mandeln". Auch der Eroberer Hernán Cortés schreibt dem spanischen König und späteren Kaiser Karl V. aus dem heutigen Mexiko: "Dies ist eine Frucht wie Mandeln", die die Indigenen im ganzen Land wie Münzen verwendeten. In Europa werden Kakaogetränke und später Schokolade als Luxusgut immer beliebter.
Bestohlen, verhaftet, gefoltert
"Als die Spanier in den Kakaogebieten ankamen, ging es nicht nur darum, Gewinne zu machen", sagt die Wissenschaftlerin Sampeck. "Sie haben die Menschen bestohlen, sie in Gefängnis geworfen, gefoltert, um mehr Kakao von ihnen zu bekommen."
Außerdem führen die Spanier in ihren Kolonien ein Arbeitssystem ein, die sogenannte Encomienda. Die indigene Bevölkerung muss den Kolonialherren Tribut zahlen - in Kakaobohnen.
Ordnung ins Namenschaos
Darüber, wie Kakao in der Wissenschaft genannt werden soll, herrscht lange ein Begriffswirrwarr: Amygdalus similis guatimalensis, Avelana mexikana, Arbora caccivera americana.
Der schwedische Naturforscher Carl von Linné bringt im Mai 1753 Ordnung in das Namenschaos. In seinem botanischen Standardwerk "Species Plantarum", das die bis heute gültigen Namen vieler Pflanzen definiert, nennt er den Kakaobaum: "Theobroma cacao". "Theos" bedeutet im Griechischen Gott, "broma" steht für "Speise". Ins Deutsche übersetzt lautet die Bezeichnung also "Speise der Götter".
Heilkräfte zugeschrieben
Linné schreibt der Schokolade heilende Wirkung zu. Der Kakao leiste "in manchen Krankheiten Hülfe". Er empfiehlt den Genuss von Schokolade bei Schwindsucht, Verstopfung und Hämorrhoiden.
Bis etwa ins 19. Jahrhundert bleibt Kakao in Europa ein Luxusgut. Außer Spanien sind auch andere Kolonialmächte in den globalen Kakaohandel eingestiegen. Allen voran die Franzosen und Engländer. Aber auch Deutschland mischt mit: In Kamerun sterben tausende Einheimische, als sie unter schlimmsten Bedingungen Kakao anbauen müssen.
Katastrophale Produktionsbedingungen
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an wird Schokolade zunehmend industriell gefertigt - und damit für mehr und mehr Menschen in Europa erschwinglich.
"Theobroma cacao" wird heute überall in den Tropen angebaut. Er zählt zu den problematischsten Agrarrohstoffen der Welt. Wegen der hohen Nachfrage in den Industrieländern gehören zum Kakaogenuss oft katastrophale Arbeitsbedingungen in den Anbauländern, Monokulturen und die Zerstörung des Regenwaldes.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Andrea Kath
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 1. Mai 2023 an die botanische Namensgebung der Kakaopflanze. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 02.05.2023: Vor 140 Jahren: Der Geburtstag des blinden Nazi-Widerständlers Otto Weidt