Jahrhundertelang ist Schokolade zwar ein exklusives Vergnügen, aber kein wirklicher Genuss: Sie ist brüchig, sandig und bitter im Geschmack. So ist es auch noch 1873, als der Schweizer Rodolphe Lindt eine Ausbildung bei einem Schokoladenfabrikanten in Lausanne antritt.
Nach den Lehrjahren will der Sohn eines wohlhabenden Apothekers eigene Schokolade herstellen. Der 24-Jährige erwirbt ein Gebäude und einige altmodische Maschinen in Bern. Allerdings sind die ersten Versuche niederschmetternd.
Nur was lange rührt, schmeckt richtig gut
Lindt experimentiert weiter und entwickelt ein neues Verfahren, das Conchieren: In einem sogenannten Längsreiber lässt er die flüssige Masse mit einer Walze reiben, erwärmen und belüften. Zudem setzt er noch Kakaobutter zu, was für einen zarteren Schmelz sorgt.
Den großen Durchbruch hat Lindt – so will es zumindest die Legende – nur einem Zufall zu verdanken: "Rodolphe Lindt war ein Lebemann", sagt Lebensmitteltechniker Beat Glarner, der selbst Lindt-Schokolade gerührt hat. Lindt vergisst wohl aus Vorfreude auf ein Fest, die Maschine auszuschalten.
"Als er nach drei Tagen zurück in sein Laboratorium kam, ist er natürlich zuerst erschrocken", erzählt Glarner die Sage weiter. Doch dann probiert der Fabrikant die so anders aussehende Masse und ist begeistert. Sie zergeht auf der Zunge und entfaltet eine Fülle köstlicher Aromen.
Lange Lieferfristen für Schokolade
Es ist die Geburtsstunde für den späteren Weltruhm Schweizer Schokolade. Schon bald lechzt nicht nur die feine Berner Gesellschaft nach Lindt-Schokolade. Die neidische Konkurrenz bemüht sich vergeblich, das Geheimnis der "chocolat fondant" zu lüften.
Lindt, der lieber seine Zeit in edlen Salons als in Fabriken verbringt, lässt seine Produkte durch den Zuckerbäcker Tobler vertreiben. Die Nachfrage würde für die Auslastung von mehreren Produktionsstätten reichen. Doch Lindt expandiert nicht. Ihm gefällt der Gedanken, dass die Kundschaft lange Lieferfristen in Kauf nimmt und dadurch seine "Schmelzschokolade" ihre Exklusivität bewahrt.
Als Lindt Tobler die Provision immer weiter kürzt, steigt dieser aus dem Abkommen aus. Lindt bricht der Vertrieb weg, und da der Schöngeist sich nicht selbst um das Alltagsgeschäft kümmern mag, verkauft er 1899 seine Firma – samt der wohlgehüteten Rezeptur und Markenrechte – an Sprüngli.
Zunächst bleibt Lindt noch im Verwaltungsrat der neuen Lindt & Sprüngli, dann kommt es zum Streit und er steigt ganz aus. Rodolphe Lindt stirbt am 20. Februar 1909 mit gerade einmal 53 Jahren in Bern.
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Stichtag am 21.02.2019: Vor 25 Jahren: Todestag Johannes Steinhoff