Stichtag

26. Januar 1886 - Feinkost-Unternehmer Eugen Lacroix wird geboren

Stand: 26.01.2016, 00:00 Uhr

Seit dem frühen Tod ihres Mannes führt die Witwe Lacroix – den Nachnamen verdankt sie französischen Vorfahren - ein Gasthaus im badischen Ettenheim. Ihr Sohn Eugen, am 26. Januar 1886 geboren, verbringt seine Zeit am liebsten in der Küche und beschließt, selbst Koch zu werden.

Die im Steinmetz-Geschäft tätige Lacroix-Sippe rümpft zwar die Nase; die Mutter aber unterstützt die Wahl ihres Sohns und gibt ihn nach Lahr ins Hotel "Sonne" in die Lehre. Für Eugen ein Glückfall, denn dort steht mit Louis Nassoy ein Könner seines Fachs am Herd. Der frühere Leibkoch Kaiser Napoleons III. führt Eugen Lacroix in die Geheimnisse der Haute Cuisine ein und legt damit den Grundstock für dessen Aufstieg zum weltbekannten Großgastronomen.

Erfolg mit vorgefertigten Delikatessen

Gerüstet mit Rezepten für Gänseleberpastete und Galantinen von Ente oder Frischling geht Eugen Lacroix 1903 auf Wanderschaft. Nach einem Aufenthalt in Frankfurt rollt er im Dienst der feinen "Wagon Lits" als Zug-Koch durch Europa und bereist als Schiffskoch Nord- und Südamerika. 1908 kehrt er zur Mutter zurück, die mittlerweile in Straßburg ein gediegenes Weinrestaurant führt. In ihrer Küche erkocht sich Lacroix seine erste kulinarische Goldmedaille. Nach dem Ende des Weltkriegs musse er als Deutscher das nun französische Straßburg verlassen.

Eugen Lacroix lässt sich in Frankfurt-Sachsenhausen nieder und stellt in einer ehemaligen Metzgerei getrüffelte Gänseleberpastete her. Zwei Jahre später übersiedelt der 35-Jährige nach Niederrad und erweitert seine Palette um vorgefertigte Spezialitäten, deren Zubereitung für Spitzenrestaurants und gehobene Haushalte höchst aufwändig ist. Seine vorgekochten Delikatessen und tafelfertigen Dosensuppen, Fonds und Saucen werden ein Renner. Ständig vergrößert Lacroix seine Koch-Brigade; das Sortiment wächst auf über 120 Produkte. Aus aller Herren Länder gehen Bestellungen für die Edelkonserven mit dem geschwungenen Schriftzug ein und Lacroix etabliert sich unter den bedeutendsten Feinkostherstellern in Europa.

Exotisches für zahlungskräftige Kunden

Mit Beginn des Wirtschaftswunders Anfang der 50er Jahre entdecken die Deutschen die Lust am Schlemmen wieder. Wohlstand geht durch den Magen und Eugen Lacroix befriedigt den Hunger nach Exquisitem mit einer teuren Neuheit: Wer seinen Gästen imponieren will, der bringt Schildkrötensuppe von Lacroix auf den Tisch. Rund 250 Tonnen des seltenen Fleisches verarbeitet das Unternehmen pro Jahr und steigt damit zum weltgrößten Fabrikanten von Schildkrötensuppe auf. Verwöhnten Gaumen – und dicken Portemonnaies – bietet Lacroix auch Exotisches wie Suppen aus Haifischflossen, Seegurken oder Känguruschwänzen. Jedes Gericht werde von mindestens drei Köchen abgeschmeckt, verspricht er. Von Tier- und Artenschutz ist noch keine Rede.

Geehrt mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande und als einziges deutsches Mitglied der elitären "Académie Culinaire de France" stirbt Eugen Lacroix am 3. September 1964. "Er hatte ein gütiges Herz und war Idealen und Interessen aufgeschlossen", würdigt die Frankfurter Rundschau den Großgastronomen, "dessen Name den Ruf Frankfurts in alle Welt getragen hat." Sein Sohn Eugen René verkauft das florierende Unternehmen 1972 an den US-Mischkonzern ITT, der es 1979 an die Campbell Soup Company weiterreicht. Die berühmte Schildkrötensuppe streicht Campbell erst 1985 auf massiven öffentlichen Druck von der Speisekarte - zehn Jahre nach Inkrafttreten des Washingtoner Artenschutzabkommens. 1993 wird auch die Produktion von Gänseleber-Pastete eingestellt, für die Millionen Tiere qualvoll gestopft wurden. Die Marke Lacroix hat bis heute überlebt; wie dem Firmengründer die unter seinem Namen vertriebenen Produkte schmecken würden, sei dahingestellt.

Stand: 26.01.2016

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