Als ihr im Alter von 25 Jahren Jesus erscheint und sie zu ihrer Nachfolge beruft, ändert die Ordensschwester Gertrud von Helfta ihr Leben radikal. Nicht mehr das Lernen, der Wissenserwerb und das Studium der Theologie und der Literatur stehen im Mittelpunkt, sondern die Sehnsucht und ein tiefer Wunsch: Gertrud will sich mit Christus vereinen. Sie will ihn als liebenden Bräutigam erfahren, ihn ins Zentrum ihres Lebens stellen. Und sie möchte seine Liebe hinaus in die Welt tragen.
Ein ganzes Leben im Kloster
Geboren wird Gertrud am 6. Januar 1256, dem Dreikönigstag, an dem die katholische Kirche die Erscheinung des Herrn feiert. Gertruds Herkunft ist unbekannt, wahrscheinlich stammt sie aus Thüringen. Einen Familiennamen trägt sie nicht. Historiker vermuten, dass das Kind ohne Eltern aufwächst. Schon mit fünf Jahren kommt Gertrud in das Kloster Helfta bei Eisleben, wo sie später dem strengen Orden der Zisterzienserinnen beitritt. Hier lebt sie bis zu ihrem Tod am 17. November 1301 - andere Quellen sprechen von 1302.
Ihre Mitschwestern unterrichten die wissbegierige und äußerst begabte Gertrud nicht nur in Theologie, sondern auch in Sprachwissenschaften und Mathematik. Sie gehört bald zu den ersten Frauen des Mittelalters, die fließend Latein sprechen und fehlerfrei schreiben können. Sie liest die Schriften von Augustinus, Gregor dem Großen, Albertus Magnus, Thomas von Aquin und Bernhard von Clairvaux. Und sie übersetzt Teile der Bibel ins Deutsche - Jahrhunderte vor Martin Luther.
Von der Buch- zur Gottesgelehrten
Im Januar 1281 hat Gertrud ihre erste von mehreren Christusvisionen. "Komme zu mir. Ich will dich trunken machen mit dem Strom meiner göttlichen Wonnen", sollen Jesus’ Worte an sie sein. Gertrud ist so ergriffen, dass sie fortan ihr ganzes Leben auf Jesus Christus ausrichtet. Sie ist der Überzeugung, dass Gott die reine Liebe ist und er sich trotz ihrer Sünden immer wieder zu den Menschen hinunter beugt und seine Gnade anbietet. "Der liebende Gott geht auf den Menschen zu. Er wirbt darum, dass der Mensch seine Liebe erwidert", so Gertrud.
Nach diesem mystischen Erlebnis verstärkt Gertrud ihr Bibelstudium. Sie schreibt Bücher und Gebete über Gottes Liebe und Gnade. Sie predigt von ihren Visionen, die innerhalb der Kirche als erwiesen gelten. Auch mit anderen Mystikerinnen, etwa ihrer späteren Ordensschwester Mechthild von Magdeburg, tauscht sie sich intensiv aus. Ihre Schriften und Erfahrungen machen Sie zu einer der bedeutendsten Frauen der Kirchengeschichte. Seit ihrer Heiligsprechung im Jahr 1678 wird sie als Gertrud die Große verehrt.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Wolfgang Meyer
Redaktion: Gesa Rünker
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