"Ich denke, es ist die schönste Musik, die jetzt ein Mensch auf Erden machen kann", sagt der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy über das Werk seiner älteren Schwester Fanny. Die beiden verbindet eine fast symbiotische Beziehung. "Er hat keinen musikalischen Ratgeber als mich, auch sendet er nie einen Gedanken aufs Papier, ohne ihn mir vorher zur Prüfung vorgelegt zu haben", notiert die Pianistin und Komponistin.
Die musikalische Begabung der Geschwister wird früh gefördert. Sie werden von Ludwig Berger in Klavier und von Carl Friedrich Zelter in Kompositionslehre unterrichtet. Im Kindesalter spielt das Geschlecht noch keine Rolle. Das ändert sich im Erwachsenenleben. Fanny soll ihre Werke nicht veröffentlichen, findet Felix: "Ihr zureden, etwas zu publizieren, kann ich nicht, weil es gegen meine Ansicht und Überzeugung ist."
Prägende Sonntagskonzerte
Geboren wird Fanny Zippora Mendelssohn am 14. November 1805 in Hamburg. Ihre Eltern sind Juden und nehmen später den Beinamen Bartholdy an, als sie zum Protestantismus übertreten. Bald nach Fannys Geburt zieht die Familie nach Berlin. Prägend sind die Sonntagskonzerte auf dem elterlichen Anwesen, das über einen Saal verfügt, der Platz für 200 Gäste bietet.
Darunter sind Musiker wie Carl Maria von Weber, Franz Liszt sowie Clara und Robert Schuman. Bei den Privatkonzerten können sich Fanny und Felix musikalisch präsentieren. Später organisiert sie die Sonntagsveranstaltungen in Eigenregie.
Im Verborgenen
Ihr Vater macht Fanny schon früh klar, was von ihr erwartet wird: Für Felix werde die Musik vielleicht zum Beruf, "während sie für dich stets nur Zierde, niemals Grundbass deines Seins und Tuns werden kann und soll".
Als Bruder und Schwester jeweils ein Klavierquartett komponieren, wird jenes von Felix als "Opus eins" veröffentlicht. Das Werk seiner Schwester hingegen bleibt bis zur Uraufführung und einer ersten Edition Ende des 20. Jahrhunderts im Verborgenen.
Mehr als 400 Werke
Vor ihrer Heirat mit dem Maler Wilhelm Hensel schreibt Fanny, "die Kunst ist nicht für Frauen, nur für Mädchen". Doch ihr Mann ist anderer Meinung und unterstützt sie. Dennoch hadert Fanny Hensel lange mit sich, weil sie es der Familie recht machen will.
1846 entscheidet sie endlich: "Ich fange an herauszugeben." Ihr bleibt nicht viel Zeit: Die Komponistin stirbt am 14. Mai 1847 mit 41 Jahren in Berlin an einer Hirnblutung. Mehr als 400 Werke stammen aus ihrer Feder: Lieder, Klavier- und Kammermusik, Orchester- und Chorwerke.
Autor des Hörfunkbeitrags: Christoph Vratz
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Mai 2022 an Fanny Hensel. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 15.05.2022: Vor 70 Jahren: Der Schauspieler Albert Bassermann stirbt auf dem Flug nach Zürich