Es ist September 2016. Im Großen Saal der soeben fertig gestellten Elbphilharmonie steht die allererste Probe an. Fast zehn Jahre haben die Musiker auf diesen Moment gewartet. Es ist auch ein Moment der Wahrheit, denn nun wird sich zeigen, ob die Klangqualität des Saals wirklich so ausgezeichnet ist wie erhofft.
"Ich bin nervös", gibt der verantwortliche Akustiker Yasuhisa Toyota zu: "Wenn der Saal nicht mit dem Orchester funktioniert, wäre das ein Desaster." Und Desaster hat die Elphi - so ihr Spitzname - bis zu diesem Zeitpunkt schon genügend produziert.
Lange Bauzeit, explodierende Kosten
Doch von vorne: Der Architekt Alexander Gérard hat die Idee, aus dem seit langem ungenutzten Kaispeicher A in der Hamburger Hafencity ein Konzerthaus von Weltrang zu machen. Der Entwurf, bei dem der spektakuläre Baukörper wie eine gläserne Welle über dem Backsteinmassiv des alten Speichers schwebt, begeistert schon bald nicht nur die Politiker vor Ort.
Nach nur zweieinhalb Jahren Planung beginnen im April 2007 die Bauarbeiten. Die Kultursenatorin Karin von Welck ist zuversichtlich, dass die erste Konzert-Saison in der Elbphilharmonie 2009/10 stattfinden kann. Kosten soll das Prestigeobjekt rund 186 Millionen Euro. Dazu will die Stadt 77 Millionen beisteuern, der Rest sind Spenden und Investorengelder.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Durch zahlreiche Planungsfehler, drastische Kostensteigerungen und heftige Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Hamburg und dem Baukonzern Hochtief dauert die Fertigstellung der Musikhalle knapp zehn Jahre. Die Kosten für den Steuerzahler belaufen sich am Ende auf fast 800 Millionen Euro - das Zehnfache der ursprünglich kalkulierten Summe.
Optisch und musikalisch ein Volltreffer
Optisch kann sich das Ergebnis sehen lassen. Die beeindruckende Fassade erhebt sich wie ein Kristall bis in eine Höhe von 110 Meter. Sie besteht aus mehr als 1.000 gewölbten Glaselementen, jedes ein Unikat. Im Inneren beeindruckt vor allem der Große Saal, der mit rund 10.000 unterschiedlichen Gipsplatten verkleidet ist. Allesamt von Hand montiert. Dabei wiegt eine Platte rund 70 Kilogramm und hat eine eigene gefräste Struktur, bestehend aus Wellen und Tälern.
Und auch musikalisch geht der ambitionierte Plan auf, wie jene erste Probe im September 2016 beweist. Kritiker sprechen im Anschluss von einem "Akustikwunder" und bescheinigen dem Saal einen glasklaren und warmen Klang.
Am 11. Januar 2017 ist es dann so weit: Mit einer musikalischen Zeitreise von der Renaissance bis zur Gegenwart wird das spektakuläre Konzerthaus eröffnet. Anschließend entsteht ein regelrechter Hype um die Elphi. Der jahrelange Ärger ist schnell vergessen. Vielmehr freuen sich die Hamburger, dass sie neben der Reeperbahn und dem Michel ein weiteres Wahrzeichen ihr eigen nennen können.
Autor des Hörfunkbeitrags: Ralf Gödde
Redaktion: Gesa Rünker
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