Es ist ein spektakuläres Wettrennen, dass sich die "Sirius" und die "Great Western" im Jahr 1838 liefern. Beide Schiffe wollen das erste sein, das es allein mit Dampfkraft über den Atlantik schafft.
Ungleiches Rennen
Dabei scheint der Ausgang des Rennens vorprogrammiert, denn technisch ist die "Great Western" der "Sirius" haushoch überlegen. Ihr Konstrukteur, Isambard Kingdom Brunel, ist einer der besten Ingenieure der Zeit. Der Engländer entwirft den Viermaster extra für die Transatlantik-Fahrt. Die "Great Western" verfügt über zwei Dampfmaschinen, die zusammen 450 PS Leistung auf die beiden Schaufelräder übertragen. Mit mehr als 1.300 Tonnen Gewicht und einer Länge von rund 70 Metern ist sie der größte Dampfer der Welt.
Die von einem amerikanisch-britischen Konsortium gecharterte "Sirius" hingegen ist als ehemaliger Küstenpostdampfer eigentlich für den Liniendienst zwischen London und Irland konzipiert. Sie ist gut neun Meter kürzer als der Konkurrent und nur 320 PS stark.
Am 4. April 1838 sticht die "Sirius" von Cork in Südirland aus in See. Ziel: New York. Das Auslaufen der "Great Western" dagegen verzögert sich wegen eines Feuers im Maschinenraum um drei - wie sich herausstellen wird entscheidende - Tage.
Zunächst aber holt die "Great Western" immer mehr auf. Sie ist mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8,66 Knoten (etwa 16 km/h) nicht nur schneller als die "Sirius", auch der böige Wind und die hohen Wellen des Atlantiks machen ihr deutlich weniger zu schaffen. Hinzu kommt, dass bei der "Sirius" keiner der Seeleute über viel Erfahrung mit Dampfschiffen verfügt.
"Sirius" verheizt sich selbst
Das Hauptproblem des kleinen Küstenpostdampfers ist aber ein anderes: Es fehlt schlicht an Platz, um genug Kohle für die Überfahrt zu lagern. Wenige Kilometer vor New York sind alle Briketts aufgebraucht - kurzerhand werden Mobiliar und Reserve-Mast der "Sirius" verheizt.
Nötig ist die Zerstörungsorgie nicht, denn die "Sirius" hätte für die Weiterfahrt auch den Wind nutzen können. Aus Sicherheitsgründen ist sie - genau wie die "Great Western" - mit Segeln ausgestattet. Die aber will der Kapitän mit Blick auf die Pioniertat nicht setzen. Denn eine Atlantiküberquerung mit Dampf und Segel war 1819 schon der amerikanischen "City of Savannah" geglückt.
Nach 18 Tagen, vier Stunden und 22 Minuten wirft die "Sirius" im Hafen von New York die Anker. Damit ist sie das erste Schiff, das den Atlantik komplett unter Dampf bezwungen hat. Und es ist bis dahin auch die schnellste Überfahrt - der durchschnittliche Segler braucht dafür damals noch doppelt so lange.
Den letzten Rekord ist die "Sirius" allerdings schnell wieder los. Denn nur vier Stunden später läuft auch die "Great Western" qualmend in New York ein - sie hat für den Weg gerade einmal 15 Tage gebraucht. So gibt es an diesem Tag gleich zwei Sieger: Die "Sirius", die den Atlantik als erste unter Dampf bezwingt, und die "Great Western", der es am schnellsten gelingt.
Autor des Hörfunkbeitrags: Marko Rösseler
Redaktion: Gesa Rünker
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