Im Revolutionsjahr 1848 kommt es auf dem Rhein zu einem bedenkenswerten Zwischenfall. "Gegen Mittag passierte ein Schlepp-Dampfschiff der Düsseldorfer Gesellschaft bei Kaiserwerth vorbei, als dort plötzlich sieben Gewehrschüsse nach demselben gerichtet abgefeuert wurden", heißt es im entsprechenden Polizeibericht. Ein Schuss pfeift haarscharf am Kopf eines Knechtes vorbei.
Bei den Verbrechern handelt es sich weniger um Revolutionäre als vielmehr um konservative Kreise: Vermutlich sind es Vertreter des Berufs der Treidler, die die Schiffe mit ihren Pferden vom Ufer aus durch die Gewässer ziehen. Die Erfindung der Dampfschifffahrt macht dieser seit römischen Zeiten auf dem Rhein praktizierten Tradition den Garaus.
Selbst die Herrscher kommen
1809 meldet der Amerikaner Robert Fulton sein Dampfschiff zum Patent an. Auf dem Rheim als der meistbefahrenen Wasserstraße Europas macht der schottische Kapitän William Wagner den Anfang. Am 8. Juni 1816 legt er mit seinem Schaufelraddampfer "Defiance" vom Ufer ab und fährt den Rhein hinauf über Köln. Es ist ein nie dagewesenes Spektakel, das auch den niederländischen König aufs Schiff lockt. Und Wilhelm I. reist extra mit der Kutsche nach Rotterdam, um das Schiff zumindest im Hafen zu bewundern. Längs der Strecke aber sollen sich die Bauern ob des Schiffs, das treidlerlos wie von Geisterhand bewegt wird, bekreuzigt haben.
"Heute Mittag erblickten wir hier auf unserem schönen Rheinströme ein wundervolles Schauspiel", schreibt hingegen ein Reporter der "Kölnischen Zeitung" über das Ereignis. "Ein ziemlich großes Schiff, ohne Mast, Segel und Ruder, kam mit ungemeiner Schnelle den Rhein heraufgefahren. Die Ufer und die hier vior Anker liegenden Schiffe waren in einem Augenblicke von der herbeiströmenden Volksmenge bedeckt."
An jedem Hochzeitstag an Bord
Die Vorbeifahrt der "Definace" markiert den Startschuss des massenhaften rheinischen Schiffstourismus. Nur elf Jahre nach der Jungfernfahrt nimmt die erste reguläre Linie ihren Betrieb auf, aus der 1853 die Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG (KD) hervorgeht. Schon zu dieser Zeit reisen jährlich mehr als eine Million Fahrgäste mit dem Dampfschiff den Rhein hinauf und hinunter.
Die KD betreibt mit der "Goethe" auch das letzten Radschaufler des Rheins: 2008 wurde seine Dampfmaschine allerdings gegen einem Dieselmotor ausgetauscht. Traditionen bleiben trotzdem. So soll es einen schon etwas älteren Passagier geben, der seit seinem fünften Lebensjahr an seinem Geburtstag auf der "Goethe" fährt. Und ein 80-jähriges Pärchen hat hier ihre Verlobung gefeiert und ist nun an jedem Hochzeitstag an Bord.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Juni 2016 ebenfalls an die erste Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.