Am 26. September 1872 läuft das Dampfschiff "Oceanic" aus dem Hafen von Liverpool aus. An Bord ist der Brite Thomas Cook, der für sein Reisebüro die erste organisierte Weltreise veranstaltet. Sie soll mehr als 200 Tage dauern. Ein Vergnügen, das sich nur wenige leisten können. Mit Cook sind acht Teilnehmer unterwegs, die nach zwölf Tagen Seekrankheit die erste Station erreichen: New York. In Amerika schließen sich noch zwei weitere Reisende an.
"Zu meiner kleinen Gruppe von zehn Personen gehören zwei Engländer, ein Schotte, ein Grieche, ein Russe, drei amerikanische Herren sowie eine englische und eine amerikanische Dame - alle vertraut wie eine reisende Familie", notiert Cook. Er darf regelmäßig für die britische "Times" von seiner World-Tour berichten - eine kostenlose Werbung für sein Unternehmen, das mit Massentourismus groß geworden ist.
Zu den Außenposten des britischen Empires
Technisch möglich wird die Reise durch den neuen Stand der Infrastruktur: Drei Jahre zuvor, 1869, ist nicht nur der Suezkanal eröffnet, sondern auch die Eisenbahnverbindung quer durch Nordamerika fertiggestellt worden. Cooks Route führt deshalb zunächst von New York nach Buffalo und den Niagarafällen, durch Kanada nach Detroit, über die weiten Prärien bis nach San Francisco.
Mit dem Dampfschiff reist die Gruppe weiter über den Pazifik nach Asien. Es geht von einem Außenposten des britischen Empires zum nächsten: 24 Stunden Shanghai, zwei Tage Singapur, drei Tage Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Die meiste Zeit verbringt man aber in der Kronkolonie Indien. Danach folgt eine Fahrt durch den Suezkanal.
Testlauf ist erfolgreich
Wer will, schippert noch über den Nil oder schaut in Palästina und Konstantinopel vorbei. Thomas Cook begleitet die Reisegruppe nicht zurück nach London. Er ist in Ägypten gefordert, weil 1873 mit seiner Agentur mehr Touristen als je zuvor im Vorderen Orient unterwegs sind.
Auch die Idee, die Welt zu umrunden, ist ein Erfolg. "Thomas Cook & Son" bietet die Fahrten nun jährlich an. Auch andere Veranstalter steigen in das Geschäft ein. In Deutschland bietet Karl Stangen ab 1878 seine erste Weltreise an. "Da waren nur sieben Leute dabei", sagt der Historiker und Soziologe Hasso Spode. "Das dauerte acht Monate und pro Nase waren 12.000 Goldmark fällig. Das entspricht heute ungefähr 100.000 Euro."
"Ein sehr teures Unterfangen"
Nach 1900 steigen auch Reedereien ins Geschäft mit der Weltreise ein. Nun geht es in Luxuslinern über die Weltmeere. Auch heute noch wird in Deutschland eine viermonatige Schiffsreise um die Welt angeboten. "Die kostet so 30.000 bis 65.000 Euro, je nach Kabine", sagt Spode. "Es bleibt ein sehr teures Unterfangen."
Autorin und Autor des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock und Ulrich Biermann
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. September 2022 an die erste - vom Reisebüro "Thomas Cook" organisierte - Weltreise. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
ZeitZeichen am 27.09.2022: Vor 80 Jahren: Thomas Mann hält BBC-Rundfunkrede