Hat Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) gegen die nordrhein-westfälische Verfassung verstoßen? Über diese Frage berät heute der zuständige NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster.
Dabei geht es um die Frage, ob ihr Haus mehr Akten an den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Hochwasserkatastrophe hätte liefern müssen. Der Ausschuss soll klären, ob die Landesregierung - und damit auch Ina Scharrenbach - im Zusammenhang mit der Katastrophe vom Juli 2021 Fehler gemacht hat.
Andere lieferten 12.000 Seiten - Scharrenbach lieferte zehn
Scharrenbachs Ministerium hat seit Juni 2022 zur Aufklärung dieser Frage dem Ausschuss lediglich zehn Seiten zur Verfügung gestellt. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum lieferte das Justizministerium mehr als 12.000 Seiten, insgesamt hat die Landesregierung seit der Katastrophe weit mehr als zwei Millionen Seiten an den Ausschuss übergeben.
Die oppositionelle SPD-Fraktion spricht deshalb von einer "Zumutung" und wirft Scharrenbach vor, die Aufklärung zu verweigern. Die Sozialdemokraten hatten das Organstreitverfahren gegen Scharrenbach vor dem Verfassungsgerichtshof angestrengt.
"Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie hat etwas zu verbergen - das will ich ihr überhaupt nicht unterstellen. Oder aber es ist eine Frage der Eitelkeit und Willkür", sagte René Schneider, der SPD-Sprecher im Ausschuss, dem WDR. Scharrenbachs Ministerium habe aber die "verdammte Pflicht uns Parlamentariern diese Akten zu überstellen." Stattdessen verfahre Scharrenbach nach dem Motto "ich bestimme, was ich gebe und ich gebe nur zehn Seiten", so Schneider. Dies könne das Parlament nicht zulassen.
Eine Bitte um Stellungnahme des WDR ließ das Ministerium von Ina Scharrenbach vor der Gerichtsverhandlung unbeantwortet.
Bei Befragungen ließ Scharrenbach viele Fragen unbeantwortet
Scharrenbach hat bereits zweimal vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ausgesagt. Beide Male beantwortete sie die meisten Fragen der Oppositions-Abgeordneten nicht - mit Verweis auf Formalia. Während der zweiten Vernehmung im März 2023 wehrte die Ministerin zahlreiche Fragen der SPD ab, indem sie den Untersuchungszeitraum auf die zwei bis drei Tage "während der Hochwasserkatastrophe" eingrenzte.
Die gleiche Logik ließ Scharrenbach auf die Aktenlieferungen ihres Ministeriums an den Ausschuss anwenden - das geht aus mehreren Schreiben der Ministerin hervor, die dem WDR vorliegen. Im Einsetzungsbeschluss des Untersuchungsausschusses heißt es: "Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf die Zeit vom 09.07.2021 bis zum 09.09.2021."
Das Gericht muss entscheiden, ob Scharrenbach den Einsetzungsbeschluss des Ausschusses zulässigerweise eng ausgelegt hat - oder ob sie mit diesem Vorgehen die verfassungsgemäßen Rechte des Parlaments ignoriert hat. In einer Zeit, in der rege über die Frage diskutiert wird, wie widerstandsfähig die parlamentarische Demokratie in Deutschland ist, könnte die Entscheidung Signalwirkung entfalten. Ob sie heute bereits fällt, ist unsicher.
Parteifreundin Heinen-Esser musste zurücktreten
Die Hochwasserkatastrophe und der darauf folgende Untersuchungsausschuss haben die Landespolitik in der Vergangenheit bereits heftig durcheinandergewirbelt: Die frühere Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) musste im April 2022 zurücktreten, als bekannt wurde, dass sie während der Katastrophe mit 49 Toten in NRW nur kurz ihren Mallorca-Urlaub unterbrach und zügig auf die Ferieninsel zurückkehrte, während tausende Häuser noch unter Wasser standen.
Auch Scharrenbach flog nach Mallorca
Auch Scharrenbach war der Einladung zur Geburtstagsfeier von Heinen-Essers Ehemann damals gefolgt und nach Mallorca geflogen. Als dies bekannt wurde sagte Scharrenbach, es tue ihr leid, welches Bild öffentlich von ihr gezeichnet wird.
Über dieses Thema berichtet der WDR Hörfunk am 20.02.2024 ab 06 Uhr.