1. Rundfunkrat tauscht sich mit Intendant über Reformprozess aus
Die Mitglieder des WDR-Rundfunkrates tauschten sich mit dem Intendanten über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. Der Vorsitzende Rolf Zurbrüggen fasste die wesentlichen Überlegungen auf Länderebene zusammen.
So plane die Rundfunkkommission der Länder (RfK) dem Vernehmen nach die Einrichtung eines achtköpfigen „Zukunftsrates“. Das Beratergremium soll die langfristige Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Ausgestaltung in den Blick nehmen, auch um dessen Akzeptanz in der Gesellschaft zu stärken.
Mögliche Themenschwerpunkte seien
- die Abbildung regionaler Vielfalt in einer digitalisierten Medienwelt,
- die künftige strukturelle, personelle, organisatorische und technische Aufstellung und
- die Sicherung des publizistischen Wettbewerbs innerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems bei gleichzeitiger Verbesserung der Zusammenarbeit.
Intendant Tom Buhrow berichtete dem Rundfunkrat über bereits eingeleitete Reformmaßnahmen auf Ebene des WDR und der ARD. Diese griffen insbesondere frühere Forderungen der RfK nach senderübergreifenden Kompetenzzentren für bestimmte Themenschwerpunkte und einer Fokussierung der Digitalstrategie der Anstalten auf. Die ARD verstärke ihre Anstrengungen, die Auffindbarkeit ihrer Angebote im Netz im Sinne der Nutzerfreundlichkeit Nutzerfreundlichkeit zu optimieren. Zudem müssten bestehende Doppelstrukturen weiter abgebaut und Synergien in Programm und Technik gehoben werden.
In diesem Zusammenhang würden auch Poollösungen für Hörfunk und Dritte Programme diskutiert. Tom Buhrow betonte, dass er neben den Reformbemühungen der Anstalten auch eine Präzisierung des gesetzlichen Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erwarte. Kostenstabilität bzw. Beitragssenkungen seien bei gleichbleibendem Programmangebot nicht realisierbar.
Der Rundfunkrat verständigte sich darauf, den Reformprozess weiterhin konstruktiv zu begleiten und seine Vorstellungen zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den Ausschüssen und im Plenum zu konkretisieren und in die Diskussion einzubringen.
2. Mitglieder in Aufsichtsrat der Film- und Medienstiftung NRW gewählt
Die beiden vom Rundfunkrat entsandten Aufsichtsrätinnen der Film- und Medienstiftung NRW, Anjara Ingrid Bartz und Friederike van Duiven, wurden vom Gremium in ihren Ämtern bis Ende März 2026 bestätigt. Der WDR hält 40 Prozent der Gesellschaftsanteile an dem Unternehmen, einer der größten Filmförderungen in Deutschland und Europa. Auch ein kleiner Teil des Rundfunkbeitrags fließt gemäß WDR-Gesetz hierhin. Die Besetzung von Aufsichtsgremien der WDR-Beteiligungsgesellschaften mit Rundfunk- und Verwaltungsratsmitgliedern ist ebenfalls im WDR-Gesetz geregelt.
3. Ergebnisse der Programmbeobachtung zur Sendung ‚Maischberger‘
Der Programmausschuss des Rundfunkrats hat das neue Format der Sendung ‚Maischberger‘ evaluiert, nachdem das Gremium im Februar letzten Jahres einer Ausweitung der Produktion auf zwei Sendetermine pro Woche zugestimmt hatte.
Die Berichterstatter Gabriele Hammelrath und Michael Wenge stellten die Ergebnisse der Programmbeobachtung in der Sitzung vor. Sie lobten das angepasste Konzept der Sendung, das unter anderem mehr Raum für Einzelinterviews lasse und dadurch sowohl den Stärken der Moderatorin entgegenkomme, als auch „gewinnbringende Vertiefung“ gegenüber anderen Talkshows bringe.
Im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Gesprächsformaten hat sich der Rundfunkrat in der Vergangenheit auch immer wieder mit der Auswahl der Gäste beschäftigt und diese als zum Teil einseitig kritisiert.
Die Programmbeobachtungsgruppe habe bei ‚Maischberger‘ nun aber eine zu den Themen passende Auswahl von Journalisten und Expertinnen festgestellt. Lediglich hinsichtlich der Diversität gebe es noch Verbesserungspotential. Auch sei ein leichtes Relevanzgefälle zwischen politischen und gesellschaftlichen Themen festgestellt worden.
4. Programmbeschwerden mehrheitlich abgelehnt
Dem Rundfunkrat lagen zwei Programmbeschwerden zur Entscheidung vor. Beide wurden auf Empfehlung des Programmausschusses zurückgewiesen.
Die erste Beschwerde betraf den Kommentar eines WDR-Redakteurs in den ‚Tagesthemen‘ vom 2. August 2022. Detlef Flintz hatte dort in einem Pro- und Contra-Kommentar gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke Stellung bezogen. Die Gegenmeinung hatte zuvor Kerstin Palzer vom MDR vertreten. In der Folge wurde öffentlich Kritik an der Tätigkeit von Detlef Flintz als Schriftführer der Partei Bündnis 90/Die Grünen auf Kommunalebene geübt.
Der Petent kritisierte in seiner Programmbeschwerde, dass in dem Kommentar diese Funktion von Flintz nicht offengelegt worden sei, und sah darin einen Verstoß gegen das Gebot der journalistischen Fairness sowie gegen die Grundsätze der Nachrichtengebung.
Der Rundfunkrat konnte keinen Verstoß gegen die Programmgrundsätze des WDR feststellen. Das Gebot der Trennung von Nachricht und Meinung sei eingehalten worden, da der Kommentar deutlich als solcher gekennzeichnet gewesen sei.
In einer ausführlichen Diskussion betonte der Rundfunkrat, dass mögliche Interessenkonflikte der Redakteurinnen und Redakteure immer einzelfallbezogen beurteilt werden müssten. Die journalistische Integrität der Beschäftigten dürfe aber nicht grundsätzlich durch ein parteipolitisches Engagement in Frage gestellt werden. Dieses sei sogar ausdrücklich zu begrüßen.
Anlass der zweiten Programmbeschwerde war eine Äußerung der Schauspielerin Heidelinde Weis in der Talkshow ‚Kölner Treff‘ vom 14. Oktober 2022.
Weis äußerte sich in einer Gesprächssituation mit einem anderen Gast der Sendung, der seinen Vater durch die Folgen einer Corona-Erkrankung verloren hatte, über Impfverweigerer wie folgt: „Wie können diese Menschen so blöd sein und sich nicht überlegen, was sie tun. Die gehen auf die Straße und demonstrieren gegen Impfung. Die sind wirklich zu prügeln diese Menschen.“
Der Beschwerdeführer sah in der Äußerung von Heidelinde Weis einen strafrechtlich relevanten Aufruf zur Gewalt, der gegen die Grundsätze des Medienstaatsvertrages verstoße.
Der Rundfunkrat stellte fest, dass in rechtlicher Hinsicht kein Verstoß gegen Programmgrundsätze vorliegt, da sich der WDR die Äußerungen der Talkgäste nicht zu eigen mache. Allerdings vertrat das Gremium die Auffassung, dass es angebracht gewesen wäre, wenn die Moderatorin die emotionale und möglicherweise missverständliche Äußerung von Frau Weis eingeordnet hätte.
5. Gremium beschließt Gleichstellungsplan
Nach dem Landesgleichstellungsgesetz ist der WDR verpflichtet, die Gleichstellung von Frauen und Männern aktiv zu fördern, bestehende Benachteiligungen abzubauen und auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinzuwirken.
In diesem Sinne hat der Rundfunkrat die Fortschreibung des WDR-Gleichstellungsplans bis 2027 beschlossen. Neben fünf Leitzielen, wie dem Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und technischen Berufen, wurden konkrete Maßnahmen vereinbart, die neben der Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit, die Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmenserfolg des Senders abzielen.
Erstmals ist auch der in einer Dienstvereinbarung geregelte Schutz vor Sexismus und sexueller Belästigung Teil des Gleichstellungsplans und unterliegt damit einer jährlichen Überprüfung im Rahmen des Gleichstellungsberichts.
6. Programmvertrag ‚Mitternachtsspitzen‘ genehmigt
Der Rundfunkrat stimmte der Verlängerung der Kabarettsendung ‚Mitternachtsspitzen‘ bis Ende 2024 zu.
Die Beratungen über Programmverträge finden zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen grundsätzlich im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung statt.
Bei Produktionen des WDR oder seiner Tochtergesellschaften ist der Rundfunkrat immer dann zu befassen, wenn die finanzielle Beteiligung des Senders die Grenze von 2 Millionen Euro überschreitet. Der WDR-Verwaltungsrat hatte vorab die Zustimmung zum Vertragsabschluss empfohlen.
7. Ausblick
Die nächste Sitzung des WDR-Rundfunkrats findet am 28. März 2023 statt, voraussichtlich im Wallraf-Richartz-Museum in Köln.