44. Herbsttreffen der Medienfrauen am 18. November 2022

Forderungen an Polizei, Justiz und Politik

In diesem Jahr stand gleich zu Beginn das bewegende Thema "Hass gegen Frauen" auf dem Programm: die Regisseurin Mo Asumang, die WDR-Journalistin Georgine Kellermann und Dr. Susanne Kaiser, Autorin des Buches "Backlash – die neue Gewalt gegen Frauen", wussten über verschiedene Ausprägungen, ob als sexualisierte Beleidigungen im Netz oder transphobe und rassistische Anfeindung bis hin zur Morddrohung zu berichten.

Panel „Hass gegen Frauen“ mit Sarah Bora, Mo Asumang, Georgine Kellermann, Dr. Susanne Kaiser und den Moderatorinnen Shanli Anwar und Marianna Deinyan | Bildquelle: WDR/Melanie Grande

"Eine Beleidigung im Netz ist nicht das Gleiche wie eine analoge Beleidigung", betonte Anna Wegscheider, Juristin bei der Beratungsstelle HateAid, im Hinblick auf die viel weitreichenderen Konsequenzen.

Das Panel forderte mehr Sensibilität von Polizei, Justiz und Politik bei der Bekämpfung von Hass und Gewalt gegen Frauen, egal ob digital oder analog.

Die Musikerin und Influencerin Sarah Bora, die sich aufgrund persönlicher Erfahrungen für Opfer von Gewalt in Beziehungen einsetzt, richtete den Appell an die Medien, Morde an Frauen durch Partner oder Ex-Partner in der Berichterstattung nicht als "Familiendrama", "Beziehungstat" oder "Verbrechen aus Leidenschaft" zu verharmlosen, sondern als Femizide zu bezeichnen. „Die Frauen werden umgebracht, weil sie Frauen sind!", betonte sie. “Eine Beziehung ist keine Rechtfertigung für Gewalt."

Biografie Mo Asumang

Mo Asumang | Bildquelle: Gisela Schmalz

Ende der 1990er Jahre wurde Mo Asumang als Moderatorin einem breiten Publikum bekannt. Und auch heute noch, steht die 59-Jährige regelmäßig vor – und hinter der Kamera. Als eine der ersten Schwarzen Frauen im deutschen Fernsehen überhaupt, musste die gebürtig aus Kassel stammende Medienschaffende am eigenen Leib erfahren, was Hass bedeutet. Die Morddrohung einer Neo-Naziband, die in ihrem Lied sang „Diese Kugel ist für dich, Mo Asumang“, war u. a. der Auslöser dafür, dass sie begann, sich mit den Themen Rassismus und Integration zu beschäftigen.

Das Besondere: Als Filmemacherin und Buchautorin, setzt sich Mo Asumang in ihren Werken mit den Vertretern extremer Positionen auseinander und versucht zu verstehen, was ihre Motivation ist. Egal, ob Frauen- und Homofeinde, radikale Linke, Querdenker, Rassisten oder fundamentale Christen. Bei all diesen Begegnungen geht es Mo Asumang einerseits darum, klare Kante gegenüber radikalen Ansichten zu zeigen.

Andererseits bemüht sie sich jedoch, zu verstehen, was die Menschen bewegt, die sich in dieser Weise positionieren – und was sie antreibt. Auf diese Weise versucht Mo Asumang, den Dialog in unserer Gesellschaft zu fördern. Und sie findet, „dass ein guter Dialog heute dringend notwendiger erscheint denn je.“

Biografie Sarah Bora

Sarah Bora | Bildquelle: Sarah Bora

Im vergangenen Jahr machte die Kölner Musikerin und Influencerin Sarah Bora (33 J.) ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Thema häusliche Gewalt öffentlich. Anlässlich des Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen 2021, wagte sie ihr Coming-Out und wird seither nicht müde, auf die unterschiedlichsten Facetten des Problems hinzuweisen – nicht zuletzt mit ihrer Musik.

Und auch auf Social Media nutzt die Ehefrau von Rapper Eko Fresh und Mutter des gemeinsamen Sohnes (Elijah, 6 J.), ihre Reichweite, um ihre mehr als 50.000 Follower für das Thema Gewalt gegen Frauen zu sensibilisieren; sie sagt: „Wir müssen es endlich schaffen, dass das eigene Haus für eine Frau Schutz bedeutet und nicht ein bedrohliches Zuhause...“

Biografie Dr. Susanne Kaiser

Dr. Susanne Kaiser | Bildquelle: Jonas Ruhs

Dr. Susanne Kaiser ist Journalistin, Buchautorin und politische Beraterin. Sie schreibt u. a. für die ZEIT und den SPIEGEL und zu ihren Schwerpunktthemen zählen u. a. die arabische Welt und Nordafrika. Aber auch die Renaissance männerdominierter Gesellschaften interessieren die 42-Jährige sehr.

Nach eigenen Angaben schreibt sie am liebsten über gesellschaftliche Debatten, aktuell u. a. über bedrohte Männlichkeit und den autoritären Backlash. Dr. Susanne Kaiser lebt in Berlin und hat viel an den Rändern der Gesellschaft recherchiert, in abgehängten Gegenden und über extremistische Bewegungen.

Gerade erst, hat Dr. Susanne Kaiser ihr aktuelles Buch „Backlash – die neue Gewalt gegen Frauen“ zum Thema Frauenhass fertiggeschrieben. Sie sagt: „Mich interessiert, wie sich Gesellschaften wandeln und Machtverhältnisse verschieben.“

Biografie Georgine Kellermann

Georgine Kellermann | Bildquelle: WDR/Annika Fußwinkel

Die Journalistin Georgine Kellermann ist seit vielen Jahren für den WDR und die ARD tätig und berichtete im Laufe ihrer Karriere u. a. aus den Landesstudios Düsseldorf, Bonn und Duisburg, sowie international aus den ARD-Studios in Washington, D.C. und Paris. Seit 2019 leitet sie das WDR-Landesstudio Essen.

Die wohl größte mediale Aufmerksamkeit bekam Georgine Kellermann aber nicht aufgrund ihrer Arbeit, sondern wegen ihres außergewöhnlichen Mutes: Im Jahr 2019 übernimmt Georgine Kellermann nämlich nicht nur die Leitung des Landesstudio Essen – sondern feiert auch ihr Coming-out als trans Frau. Mittlerweile wurde Georgine Kellermann auch personenstandsrechtlich als Frau registriert, was bedeutet, dass das Trans wegfällt und sie „einfach“ Frau ist.

Was sich auf Papier so einfach lesen lässt, gestaltete sich in der Realität ungleich schwieriger; schließlich gab es Gründe dafür, dass sich Georgine Kellermann erst im Alter von 62 Jahren dazu entschied, sich öffentlich als trans zu outen. So wurde sie einerseits zum Vorbild der LGBTTIQ-Szene und für ihre Courage gefeiert; auf der anderen Seite weiß die renommierte Journalistin aus eigener Erfahrung aber auch, mit welchen Ausprägungen von Hass trans Frauen konfrontiert werden.

Sie sagt: „Das Problem ist ja: Erst kommt der Hass, dann das Gesetz. Und ich glaube, der aktuelle Umgang mit Hass ist nicht zielführend. Wir müssen da sehr viel härter ran, weil die Konsequenz des Hasses mehr Hass und am Ende auch Verletzung und Tod ist. Und das geht nicht. Jeder, der gehasst wird auf diese Art und Weise, sollte sich vom Staat fürsorglich behandelt fühlen.“

Biografie Anna Wegscheider

Anna Wegscheider | Bildquelle: Andrea Heinsohn

Man mag es kaum glauben, aber täglich (!) werden Frauen und Mädchen in den sozialen Medien sexualisiert, beleidigt und bedroht. Dass das Internet Brutstätte für Hassattacken und Misogynie ist, weiß auch Anna Wegscheider, Juristin bei HateAid. Bei Hate Aid handelt es sich um eine Beratungsstelle gegen Hass im Netz. Sie ist eine unabhängige und überparteiliche gemeinnützige Organisation, die Betroffene durch Extremsituationen begleitet und sie dabei unterstützt gegen Täter*innen vorzugehen. Wenn nötig auch vor Gericht!

Seit September 2020 unterstützt Anna Wegscheider, die zunächst in Wien Rechtswissenschaften studiert und als Rechtsberaterin und -vertreterin für Geflüchtete in Österreich gearbeitet hat, als interne Juristin HateAid. Sie kennt die unterschiedlichsten Ausprägungen von Hass gegen Frauen im Netz und erklärt, was Straftaten im Netz überhaupt sind. Bedrohungen, Beleidigungen, Nötigungen bis hin zu Morddrohungen. Was genau beinhalten diese Begriffe? Das – und mehr – weiß und erklärt Anna Wegscheider und gibt darüber hinaus Antworten auf Fragen wie: Wann macht sich eine Person strafbar, wenn sie jemanden bedroht? Und vor allem: Was kann ich tun, wenn ich selbst betroffen bin und belästigt, beleidigt oder bedroht werde?!