Die Frage wird auch in der "Szene" aktuell diskutiert, nachdem im Newsletter des Aktivisten Raul Krauthausen vor Kurzem ein Beitrag (wieder-)erschien unter dem Titel "Warum 'Handicap' das falsche Wort für Behinderung ist".
Um negative Konnotationen rund um Begriffe für behinderte Menschen zu vermeiden, ist immer häufiger das Wort "Handicap" oder "gehandicapt" zu finden. Autor Jonas Karpa schreibt: "Es klingt jung, hip, frisch und versprüht einen Hauch von Internationalität. Aber vor allem: es trägt nicht dieses sperrige Wort 'Behinderung' bei sich."
Die Geschichte des Begriffs Handicap
Dann aber legt er dar, dass "Handicap" durchaus nicht positiv ist, wenn man auf die Geschichte des Begriffs blickt: "Hand in cap" (wörtlich: Hand in der Kappe), verkürzt zu "Hand i‘Cap", beschreibt demnach seit dem 17. Jahrhundert in England ein Lotterie-Spiel. Etwas kompliziert zu beschreiben, aber entscheidend ist: Es geht um den Vergleich zwischen zwei ungleichen Dingen und einen Ausgleich zu dem Höherwertigen.
So wird der Begriff auch im Pferderennsport verwendet (das beste Pferd muss extra Gewichte tragen, um Chancengleichheit gegenüber den Schwächeren herzustellen) oder im Golf (Differenz zwischen den benötigten Schlägen und der Anzahl der Schläge, die ein*e Expert*in zum Beenden des Platzes braucht).
Wer ein Handicap hat, hat ein Defizit
Das sollte man sich klarmachen, wenn man den Begriff Handicap benutzt. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff dann auch für Menschen mit Behinderung gebraucht. Jonas Karpa: "Im Vordergrund steht der Vergleich: Es wird erst auf den*die Beste*n geschaut – in diesem Fall der Mensch ohne Behinderung – und dann verglichen, was der*die vermeintlich Schwächere (also der Mensch mit Behinderung) nicht kann. Der individuelle und persönliche Blick auf jede*n einzelnen geht damit verloren."
Sperrige Kunst-Wörter
Gerne werden im Zuge vermeintlicher political correctness auch beschönigende Alternativ-Ausdrücke gewählt, z.B. "andersfähig", "herausgefordert", "speziell" oder "besondere Bedürfnisse". Sie sind falsch. Denn die Fähigkeiten und Bedürfnisse behinderter Menschen sind nicht "besonders", sondern genauso vielfältig wie die nicht behinderter Menschen. Und sie haben nicht "besondere Bedürfnisse", sondern das Recht, nicht benachteiligt zu werden.
Ganz abgesehen davon machen wohl nur wenige behinderte Menschen selbst diese verbalen Verrenkungen. Da klingt es wie Hohn, was bei der Deutschen Welle geplant ist. Dort sollen die Vertrauensleute für schwerbehinderte Menschen künftig "representative for people with special needs" heißen.
Behinderung aus gesellschaftlicher Sicht betrachten
Das Problem bleibt also: "Welcher Begriff stigmatisiert Behinderte am freundlichsten?", wie es ein junger Mann mit Muskeldystrophie es in seinem Internet-Blog nennt.
Behinderung ist okay. Jonas Karpa: "Natürlich steckt im Begriff Behinderung auch, dass ein Mensch an etwas gehindert ist bzw. wird, jedoch enthält er auch das soziale Modell von Behinderung. Dieses besagt, dass eine Person nicht nur behindert ist, sondern auch durch die Umwelt behindert wird." Sie trifft auf Barrieren – seien sie physikalischer oder sozialer Art. Eine Treppe oder fehlende Audiodeskription kann ebenso behindern wie Vorurteile.
Viele Vorbehalte sind subtil. Andere sind offen. "Behindert" kann auch reines Schimpfwort sein wie in der Phrase "Bist du behindert?!", die Teenager gern schon mal benutzen.
Einfach "Mensch mit Behinderung"
Dennoch: Für viele behinderte Menschen ist "behindert" eine neutrale Beschreibung eines Merkmals.
Die "Leidmedien", die sich mit der Berichterstattung intensiv befassen, empfehlen die Formulierung "Menschen mit Behinderung" und schreiben dazu: "Wichtig ist nur das Wort 'Mensch', da mit dem Begriff 'Behinderte' das Bild einer festen Gruppe entsteht, die in Wirklichkeit vielfältig ist. 'Der/die Behinderte' reduziert die Person auf ein Merkmal, das alle anderen Eigenschaften dominiert. Das ist auch der Fall, wenn von 'den Blinden' oder 'den Gehörlosen' die Rede ist."
In der SBV wird diese Ausdrucksweise schon seit Langem benutzt.
Wirklich schade, dass es das Wort "Schwerbehindertenvertretung" überhaupt noch gibt, denn es widerspricht dieser Denkweise völlig. Aber das ist dem Gesetz geschuldet – und da wird das Umdenken bzw. Umformulieren wohl noch länger dauern...