Der 31. August 1994 ist ein strahlend schöner Spätsommertag in Berlin, wie gemacht für stimmungsvolle Zeremonien. Auf dem Gendarmenmarkt im Ostteil der Stadt sind russische und deutsche Soldaten angetreten, um den Abzug der russischen Streitkräfte aus Deutschland feierlich abzuschließen. Fast 50 Jahre nach Kriegsende geht damit unter den Augen von Bundeskanzler Kohl und dem - nach Einschätzung von Beobachtern nicht ganz nüchternen - russischen Präsident Jelzin ein Kapitel Nachkriegsgeschichte zu Ende.
Gemeinsam mit den Westalliierten bringen die sowjetischen Streitkräfte 1945 das Hitlerregime zu Fall. Ihre Besatzungszone in Deutschland wird zur DDR, die zur Sowjetunion eine "unverbrüchliche Freundschaft" pflegt, wie es offiziell heißt. Doch Freundschaften zwischen Sowjetsoldaten und DDR-Bevölkerung entwickeln sich kaum. Die gut 500.000 Rotarmisten dürfen nur selten ihre Kaserne verlassen. Und manche verzeihen den bewaffneten Vertretern der Sowjetmacht nicht, dass sie den Aufstand vom 17. Juni 1953 niederwalzten und auch bei der Beendigung des Prager Frühlings im Nachbarland eine wichtige Rolle spielten.
Mit der deutschen Wiedervereinigung wird auch der Abzug der sowjetischen Truppen vereinbart. Deutschland zahlt dafür 8,5 Milliarden Mark, zum Bau von Wohnungen für die heimkehrenden Soldaten. Mehr als 500.000 Soldaten und Offiziere, über 100.000 Waffen und über 2,5 Millionen Tonnen Material ziehen in knapp vier Jahren heimwärts gen Osten. Die Soldaten gingen nicht als Besatzer, sondern als Partner und Freunde, versichert Kanzler Kohl zum Abschied in Berlin. Die Ehrenformation der russischen Streitkräfte hat eigens für die feierliche Verabschiedung noch ein Lied eingeübt. "Deutschland, wir reichen Dir die Hand / Und kehren zurück ins Vaterland / Die Heimat ist empfangsbereit, / Wir bleiben Freunde allezeit." Aus der "unverbrüchlichen Freundschaft" von DDR und Sowjetunion ist nun – zumindest rhetorisch - eine "ewige Freundschaft" zwischen dem wiedervereinigten Deutschland und Russland geworden.Stand: 31.08.04