Emre Can im Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft

Dortmunds Emre Can soll den Siegeswillen ins DFB-Team bringen

Stand: 12.06.2024, 21:18 Uhr

Emre Can hat unter Julian Nagelsmann noch kein einziges Länderspiel bestritten - und wurde nun überraschend für dem EM nachnominiert. Nagelsmann setzt vor allem auf Cans Sieger-Mentalität. Und die hat der Kapitän von Borussia Dortmund bereits seit der Kindheit.

Von Lukas Thiele

Emre Can war selber etwas überrascht, was für eine Auszeichnung er bekam. Mit satten 64.6 Prozent der Stimmen ist der Dortmunder Mittelfeldspieler zum Nationalspieler des Jahres 2023 gewählt worden. Dabei hatte Can im vergangenen Jahr nur in sechs von elf möglichen Spielen auf dem Platz gestanden und hat auch nur 412 von 990 möglichen Minuten absolviert.

Dieses Element beinhaltet Daten von Instagram. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Dass Can die Wahl gewonnen hatte, lag aber sowieso nicht an seinen Leistungen. Zwei deutsche Twitter-User mit hoher Reichweite hatten zur Wahl Cans aufgerufen. Die Abstimmung auf der Seite des DFB wurde also von Twitter-Usern torpediert und war deshalb nicht ganz so ernst zu nehmen. Can selber nahm die Wahl mit Humor:  "Wenn aus Spaß Ernst wird... Freue mich trotzdem und hey, gegen Belgien und Frankreich war auch ganz gut", schrieb der 30-Jährige auf Instagram.

Noch kein Länderspiel 2024

Unter normalen Umständen hätte Can in diesem Jahr wohl gar nicht mehr zur Wahl gestanden. Denn 2024 lief er noch gar nicht im Nationaltrikot auf. Sein letztes Länderspiel war der 2:1-Sieg gegen Frankreich im vergangenen September unter Interimstrainer Rudi Völler. Julian Nagelsmann berücksichtigte Can noch überhaupt nicht.

Daher war die Nachricht umso überraschender, dass Nagelsmann am Mittwoch Can für den erkrankten Aleksandar Pavolvic für den EM-Kader nachnominierte. Dabei hatte sich Can zuvor sogar Kritik an Nagelsmann laut werden lassen, weil dieser ihn nicht persönlich über seine vorherige Nicht-Nominierung informiert hatte. "Das hätte ich erwartet. Ich habe in der Nationalmannschaft regelmäßig gespielt, war oftmals Teil der Mannschaft. Da wäre es schön gewesen, zumindest kurz über die Nicht-Nominierung im persönlichen Gespräch informiert zu werden", sagte er. Jetzt ist er doch dabei.

"Wir wollen noch einen Sechser im Kader", sagte Nagelsmann. Can habe "sofort eine Begeisterung und Bereitschaft geäußert, zur Mannschaft zu stoßen. Wir wollten noch einen Spieler im Kader haben, der viele Spiele absolviert hat, der weiß, mit dem Druck umzugehen. Er kann das Profil gut erfüllen, das wir jetzt gebrauchen können."

Klopp setzte Can als Sechser ein

Ein Blick auf Cans Vita unterstreicht das. 43 Länderspiele absolvierte der gebürtige Frankfurter bislang. Sein Debüt gab er im November 2015 gegen Frankreich in dem Spiel, welches von Terroranschlägen in Paris überschattet wurde. 2016 und 2021 gehörte Can bereits zum deutschen EM-Kader, absolvierte aber insgesamt nur vier Spiele. Für die Weltmeisterschaften 2018 in Russland und 2022 in Katar wurde Can dagegen nicht nominiert.

Doch auch auf Club-Ebene kann Can auf eine beeindruckende Vita zurückblicken. Ausgebildet wurde Can beim FC Bayern München, wo er 2012 auch zum Profi wurde, allerdings nur sieben Mal auf dem Platz stand. Nach einem Jahr bei Bayer 04 Leverkusen vier Jahre lang in England beim FC Liverpool, wo er unter Jürgen Klopp zu dem Spieler wurde, der er heute ist. Klopp versetzte Can aus der Abwehrkette ins defensive Mittelfeld und machte ihn so zu einem hervorragenden Box-to-Box-Spieler. also einem Spieler, der vor dem eigenen Strafraum aufräumt, um dann am gegnerischen Strafraum für Gefahr zu sorgen. Die Liverpooler Fans besangen Can unter anderem als "Magier, der überall zu finden ist".

Liverpool hätte 2018 auch gerne mit Can verlängert, eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Zu diesem Zeitpunkt waren zudem gleich mehrere Top-Clubs am deutschen Mittelfeldspieler interessiert. Den Zuschlag bekam letztendlich Juventus Turin, mit denen Can 2019 italienischer Meister wurde und auch den italienischen Superpokal gewann.

BVB-Trainer Terzic: "Can geborener Siegertyp"

2020 wurde Juve erneut italienischer Meister, allerdings ohne Can. Der wurde nach einem schweren halben Jahr in Turin nämlich im Winter zu Borussia Dortmund ausgeliehen und im Sommer 2020 für 25 Millionen Euro fest vom BVB verpflichtet. Durch den Wechsel wollte sich Can auch für die wegen der Corona-Pandemie verschobenen EM 2021 empfehlen - mit Erfolg.

Seit dieser Saison ist Can sogar Kapitän der Borussia. "Emre ist ein geborener Siegertyp und jemand, der gern Verantwortung übernimmt. Neben seinen Leistungen auf dem Platz bringt Emre auch eine Menge Erfahrung mit", begründete BVB-Trainer Edin Terzic damals Cans Nominierung.

Mentaität als große Stärke

Tatsächlich ist es die Mentalität, die zu Cans großen Stärken zählt. Der Grund für seine mentale Stärke liegt womöglich auch in seiner Vergangenheit. Denn der 30-Jährige musste früh erwachsen werden. Mit 15 Jahren zog er nach Frankfurt nach München, um beim FC Bayern anzuheuern - alleine, ohne seine Eltern. "Beim FC Bayern habe ich gelernt, selbstständig zu sein und Verantwortung zu übernehmen", sagte Can bereits im Jahr 2011 im Alter von 17 Jahren.

EURO 2024: Diese Spieler aus NRW sind dabei

Bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) sind in den endgültigen Kadern 19 Spieler aus Nordrhein-Westfalen dabei.

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat den Dortmunder Emre Can für die EM nachnominiert.

Emre Can (Deutschland/Borussia Dortmund): Kurz vor dem EM-Start hat der Dortmunder Emre Can (30) doch noch den Sprung in den deutschen EM-Kader geschafft. Da Aleksandar Pavlovic (19/Bayern München), der zuletzt wegen eines Infekts im Trainingslager fehlte, für die Heim-EM komplett ausfällt, hat Bundestrainer Julian Nagelsmann Can nachnominiert. 

Emre Can (Deutschland/Borussia Dortmund): Kurz vor dem EM-Start hat der Dortmunder Emre Can (30) doch noch den Sprung in den deutschen EM-Kader geschafft. Da Aleksandar Pavlovic (19/Bayern München), der zuletzt wegen eines Infekts im Trainingslager fehlte, für die Heim-EM komplett ausfällt, hat Bundestrainer Julian Nagelsmann Can nachnominiert. 

Nico Schlotterbeck (Deutschland/Borussia Dortmund): Der Innenverteidiger von Borussia Dortmund zählt vom deutschen Kader bei der EM im eigenen Land und sprang in letzter Sekunde noch auf den EM-Zug auf. Er soll als Backup dem etablierten Verteidiger-Duo Konkurrenz machen.

Jonathan Tah (Deutschland/Bayer Leverkusen): Einer aus diesem etablierten Duo dürfte Jonathan Tah sein. Der Leverkusener spielte eine bärenstarke Saison und hat zusammen mit dem frischgebackenen Champions-League-Sieger Antonio Rüdiger von Real Madrid wohl die besten Startelf-Chancen im DFB-Team.

Robert Andrich (Deutschland/Bayer Leverkusen): Der Mann mit dem dichten Bart gilt als zweikampfstarker defensiver Mittelfeldspieler. Bei Leverkusen zeigte er seine Fähigkeiten vor allem in der Rückrunde. Er soll nun der Mann sein, der den deutschen Offensivkünstlern den Rücken freihält.

Florian Wirtz (Deutschland/Bayer Leverkusen): Rund einen Monat vor der EURO ist Wirtz gerade einmal 21 Jahre alt geworden - doch es soll seine EM werden. Längst hat er sich das Prädikat Weltklasse erarbeitet und wurde in der Bundesliga zum "Spieler der Saison" gewählt.

Niclas Füllkrug (Deutschland/Borussia Dortmund): "Lücke", wie Füllkrug aufgrund seiner Zahnlücke gerufen wird, gilt im deutschen Sturm als kopfball- und zweikampfstarke Alternative zu den sonst eher technisch versierten Nebenmännern. Seine Bilanz in 16 Länderspielen ist top: elf Tore und zwei Vorlagen.

Ian Maatsen (Niederlande/Borussia Dortmund): Abwehrspieler Ian Maatsen von Borussia Dortmund ist für das EM-Aufgebot der niederländischen Fußball-Nationalmannschaft nachnominiert worden. Bondscoach Ronald Koeman reagierte damit auf die jüngsten Verletzungen im Oranje-Team. Nach Frenkie de Jong vom FC Barcelona musste auch Mittelfeldspieler Teun Koopmeiners (Atalanta Bergamo) für das Turnier passen.

Gregor Kobel (Schweiz/Borussia Dortmund): Eigentlich ist der BVB-Torwart einer der besten seiner Zunft - und muss doch bei der Schweiz hinten anstehen. Denn mit dem ehemaligen Bundesligaspieler Yann Sommer hat er große Konkurrenz. Sommer spielte bei seinem neuen Klub Inter Mailand eine Fabel-Saison. Ein Torwartproblem hat die Schweiz wohl eher nicht.

Nico Elvedi (Schweiz/Borussia Mönchengladbach): Auch in der Innenverteidigung der Eidgenossen findet sich etwas NRW wieder: Der Gladbacher Elvedi soll einen Part in der Innenverteidigung übernehmen. Neben ihm agiert übrigens ein Ex-Dortmunder mit Manuel Akanji.

Granit Xhaka (Schweiz/Bayer Leverkusen): Wie auch beim Deutschen Meister aus Leverkusen ist Xhaka im Mittelfeld der Schweizer nicht wegzudenken. Seine Ruhe, Spielübersicht und Erfahrung waren bereits für Bayer extrem wertvoll und sollen nun den Eidgenossen zu einem starken Turnier verhelfen.

Josip Stanisic (Kroatien/Bayer Leverkusen): Und noch ein Deutscher Meister, der wohl bei der EURO antreten darf. Stanisic hofft auf die Startelf bei Kroatien. Kurios: Während der noch laufenden EURO wird der Verteidiger wieder ein Münchner, denn seine Leihe läuft am 30. Juni aus. Ob er dann noch im Turnier dabei ist, bleibt abzuwarten.

Jeremie Frimpong (Niederlande/Bayer Leverkusen): Der Niederländer wird seit Wochen als einer der heißesten Wechselkandidaten gehandelt. Angeblich hat halb Europa Interesse am Flügelflitzer mit dem Bayer-Kreuz. Bei der EURO könnte sich Frimpong noch weiter in den Fokus spielen und seinen Preis in die Höhe treiben.

Donyell Malen (Niederlande/Borussia Dortmund): Wochenlang war Malen in der Rückrunde der formstärkste Dortmunder, dann zwangen ihn Oberschenkelprobleme zur Auszeit. Dennoch traf er immerhin 13-mal das Tor in dieser Saison. Es scheint, er wäre beim BVB richtig angekommen und konnte sich dort für die Niederlande empfehlen.

Max Wöber (Österreich/Borussia Mönchengladbach): Eigentlich sollte Max Wöber die Gladbacher Defensive stabilisieren, doch der Österreicher agierte zumindest unglücklich und hatte etwas Verletzungspech. Seine Leihe von Leeds United läuft Ende Juni aus - eine gute EM würde ihn aber wieder interessant für neue Arbeitgeber machen.

Marcel Sabitzer (Österreich/Borussia Dortmund): Am Anfang wurde der Mittelfeldspieler äußerst skeptisch begutachtet: Zu schwankend waren seine Leistungen beim BVB. Doch je länger die Spielzeit 23/24 dauerte, desto mehr steigerte sich Sabitzer und wurde zur absoluten Führungsfigur im Dortmunder Team. In der Form wie zuletzt beim BVB braucht ihn auch Österreich.

Salih Özcan (Türkei/Borussia Dortmund): Unter Sabitzers starken Leistungen litt zunehmend Özcan. Mit viel Vorschusslorbeeren vom 1. FC Köln gekommen, schaffte es der Deutsch-Türke nicht, sich einen Stammplatz in Dortmund zu erspielen. Ob das bei seinem Nationalteam anders wird?

Florian Kainz (Österreich/ 1. FC Köln): Dass Mittelfeldspieler Kainz den Sprung in den österreichischen EM-Kader schaffen würde, war nicht unbedingt abzusehen. MIt dem 1. FC Köln war er gerade aus der Bundesliga abgestiegen, auch für Kainz persönlich war es eine Saison mit viel Schatten. ÖFB-Trainer Ralf Rangnick interessierte das nicht und nahm den Kölner mit.

Matej Kovar (Tschechien/Bayer Leverkusen): Der Leverkusener "Pokaltorwart" schaffte es mit Bayer bis ins Europa-League-Finale und holte den DFB-Pokal. Kovar war eine mehr als solide Alternative zum Finnen Lukas Hradecky und hat sich seine EM-Teilnahme verdient.

Adam Hlozek (Tschechien/Bayer Leverkusen): Der Stürmer war für Leverkusen der perfekte Ergänzungsspieler. Kam er rein, sorgte er oft für Torgefahr. Dennoch beklagte sich Hlozek nie über seine Jokerrolle. Der Angrreifer ist noch jung und besitzt viel Potenzial. Er wird bei der EURO seine Chancen bekommen.

Patrik Schick (Tschechien/Bayer Leverkusen): Dass Hlozek nicht von Anfang an spielte, verdankte er unter anderem seinem Landsmann. Schick war lange verletzt, doch nach seinem Comeback schnell wieder bei alter Stärke. Er dürfte auch bei Tschechien Stürmer Nummer eins sein - mit dem jungen Herausforderer im Nacken.

Die Lust aufs Gewinnen hatte Can aber schon viel früher: "Als Kinder kickten wir auf einem Gummiplatz und spielten immer eine 'Mini-WM'. Wir grätschten, bis die Knie schlimm aussahen, aber es ging immer darum, unbedingt zu gewinnen. Diese Eigenschaft habe ich auf dem Bolzplatz gelernt - und sie hat mich überallhin begleitet", sagte er: "Ich hasse es zu verlieren."

Can: "Kann auch Fußball spielen"

Allein auf seine Mentalität will Can aber nicht reduziert werden: "Wenn man mich allein darüber definiert, dann geht leider unter, dass ich auch Fußball spielen kann. Ich bin kein Blinder! Ich habe mich in Liverpool oder Turin nicht allein wegen meiner guten Mentalität behauptet"; sagte er gegenüber dem "Kicker".

Mit seinen Qualitäten soll Can nun auch der DFB-Elf bei der Heim-EM helfen. Wie viele Einsatzzeiten er letztlich bekommen wird, ist zwar fraglich, denn Robert Andrich und Toni Kroos dürften auf den Sechser-Positionen gesetzt sein. Aber vielleicht reicht es für Can am Ende ja zumindest für die Auszeichnung "Nationalspieler des Jahres."