Die vermeintlich gute alte Zeit, das spätviktorianische England der 1880er-Jahre, ist die Kinderstube von Sherlock Holmes. Sein Schöpfer: der junge schottische Arzt Arthur Conan Doyle. Um 1885 herum sitzt er in seiner Praxis in Southsea bei Portsmouth und langweilt sich. Zwei Jahre hat er als Schiffsarzt Reisen nach Afrika und in die Antarktis unternommen, jetzt bleiben die Patienten aus. So frönt Doyle seiner großen Leidenschaft: dem Schreiben.
Sherrinford Holmes und Ormond Sacker
Da ihm das noch junge, kaum entwickelte Genre der Detektiverzählung gefällt, kreiert er in Anlehnung an literarische Vorbilder einen eigenen genialen Meisterdetektiv. Anfangs nennt er ihn noch Sherrinford Holmes, sein treuer Gefährte trägt den Namen Ormond Sacker. Später ändert Doyle allerdings seine Pläne und nennt seinen Meisterdetektiv und dessen treuen Gefährten schließlich: Sherlock Holmes und Doktor Watson.
Einzug in die (fiktive) Baker Street 221B
Watson ist - wie Conan Doyle selber - Mediziner. Er ist ein junger Armeearzt, der verwundet vom Afghanistan-Feldzug nach London zurückkehrt und eine billige Unterkunft sucht. Da Holmes ebenfalls aus finanziellen Gründen einen Mitbewohner sucht, ziehen die beiden gemeinsam in ein Apartment, in die Baker Street 221B. So beginnt Doyles erste Holmes-Erzählung "Eine Studie in Scharlachrot".
Im November 1887 erscheint die Erzählung im Weihnachtsmagazin "Beeton's Christmas Annual". Wäre es dabei geblieben, so würde Sherlock Holmes heute vermutlich niemand mehr kennen. Doch als vier Jahre später in London die Zeitschrift "The Strand Magazine" auf den Markt kommt, hat Doyle eine geniale literarische Geschäftsidee: Er veröffentlicht Kurzgeschichten, jede in sich abgeschlossen, aber mit derselben Hauptfigur.
Wiederauferstehung nach Heldentod
Schon bald brennt das Publikum darauf, mehr über Holmes zu erfahren, dessen äußeres Erscheinungsbild mit Mantel und kariertem Deerstalker-Jägerhut nicht von Doyle, sondern vom Grafiker des "Strand Magazine", Sidney Paget, geschaffen wird. Sherlock Holmes wird weltberühmt. Das Publikum schreibt dem fiktiven Detektiv wäschekörbeweise Fanpost - und nicht nur das. Als der von seiner Figur genervte Doyle seinen Detektiv am Reichenbachfall den Heldentod sterben lässt, besteht das Publikum auf der Wiederauferstehung des Meisterdetektivs. Auch die Angebote der Verleger sind so verlockend, dass Doyle sich schließlich erweichen lässt.
Von seinem Charme hat Sherlock Holmes bis heute nichts eingebüßt. Über die Jahrzehnte hat es unzählige Holmes-Adaptionen gegeben. Eine preisgekrönte BBC-Serie holte den Meisterdetektiv jüngst sogar ins Hier und Jetzt und sorgte so weltweit für ein neues Sherlock-Fieber.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Daniela Wakonigg
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 09. November 2022 an das Erscheinen der ersten Sherlock Holmes Erzählung.
ZeitZeichen am 10.11.2022: Erstes Buch in Reclams Universal-Bibliothek
