Hanns Ludin, Diplomat, SA-Funktionär und Kriegsverbrecher

9. Dezember 1947 - NS-Kriegsverbrecher Hanns Ludin wird hingerichtet

SA-Funktionär, NS-Diplomat, Kriegsverbrecher: Hanns Ludin wird 1947 wegen seiner Beteiligung an der Judenvernichtung zum Tode verurteilt. In seiner Familie werden seine Taten lange relativiert.

Hanns Ludin ist ab 1941 Gesandter des NS-Regimes in der Slowakei, die vom "Dritten Reich" abhängig ist. Er wohnt mit seiner Familie in Pressburg, dem heutigen Bratislava. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges unterzeichnet Ludin nicht nur Deportationsbefehle für zehntausende slowakische Juden. Er setzt sich auch für eine "hundertprozentige Lösung" ein.

Nach Kriegsende wollen sich Ludins Angehörige dessen Rolle nicht eingestehen. "Das war für uns eine Zeit lang einfach nur ein semantisches Problem", sagt Malte Ludin, jüngster Sohn von Hanns Ludin. "Ich habe gedacht 'hunderprozentig', das muss man im Zusammenhang sehen." Doch dann habe sich herausgestellt, dass sein Vater "wirklich ein eifriger Helfershelfer der Vernichtungspolitik" gewesen sei. "Eine Tatsache, die ich ein Jahrzehnt zuvor noch heftig bestritten hatte."

Hanns Ludin, Kriegsverbrecher (hingerichtet, 09.12.1947)

WDR Zeitzeichen 09.12.2022 14:52 Min. Verfügbar bis 09.12.2099 WDR 5


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Überlebt den Röhm-Putsch

Geboren wird Hanns Elard Ludin am 10. Juni 1905 in Freiburg im Breisgau. Der einzige Sohn eines Gymnasialprofessors und einer Malerin wächst in einem deutschnationalen Elternhaus auf. Gleich nach dem Abitur entscheidet er sich für die Reichswehr. Nach drei Jahren wird er zum Leutnant befördert. Der Gegner der Weimarer Republik wird 1930 zu 18 Monaten Festungshaft verurteilt - wegen "Versuchs einer nationalsozialistischen Zellenbildung innerhalb der Reichswehr".

Als Ludin im Juni 1931 begnadigt wird, tritt er in die NSDAP und die SA ein. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird er Führer der "SA-Gruppe Südwest". 1934 überlebt er als einer der wenigen SA-Führer den sogenannten Röhm-Putsch, bei dem Adolf Hitler seinen Rivalen Ernst Röhm in einem innerparteilichen Machtkampf ausschaltet. Ludin wird zwar verhaftet, aber Hitler verschont ihn.

Keine Einsicht, keine Reue

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wird Ludin an der Westfront als Batterieführer eingesetzt. Im Januar 1941 wird er vom Auswärtigen Amt übernommen und macht in der Slowakei eine Diplomaten-Karriere - als "Gesandter I. Klasse und Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches". Während seiner Amtszeit werden mehr als 60.000 Juden deportiert und in Vernichtungslagern ermordet.

Noch im April 1945 feiert Ludin Hitlers Geburtstag. Er flieht vor der Roten Armee, stellt sich den US-Truppen und wird an die Tschechoslowakei ausgeliefert. 1947 wird er vom Volksgerichtshof in Bratislava zum Tode verurteilt. In seinem Gnadengesuch schreibt er, er habe "unter dem Zwang der Verhältnisse" auf Befehl gehandelt. "Ich habe Irrtümer und Fehler begangen, aber kein Verbrechen."

Verschweigen, Depressionen, Alkohol

Mit dieser Darstellung hat er keinen Erfolg: Am 9. Dezember 1947 wird Ludin gehängt. Seine Legende, keine Verbrechen begangen zu haben, lebt lange Jahre in der Familie weiter. "Die Konsequenzen dessen, was er getan hat, und was das wirklich bedeutet hat, das wurde in unserer Familie verschwiegen", sagt Alexandra Senfft. Ihre Mutter war die älteste Tochter von Hanns Ludin. Sie ist an den Verbrechen ihres Vaters zerbrochen: Depressionen, Alkohol, ein schleichender Suizid.

Autor des Hörfunkbeitrags: Thomas Klug
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. Dezember 2022 an Hanns Ludin. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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