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Frauen und Männer aus dem gesamten Bundesgebiet protestierten am 20.06.1992 in der Berliner Innenstadt gegen den Paragrafen 218

4. August 1992 - Bundesverfassungsgericht stoppt Abtreibungsreform

Stand: 19.07.2022, 17:40 Uhr

Der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches verbietet in Deutschland seit 1871 den Schwangerschaftsabbruch. Fast zeitgleich hat damit auch der Streit um das Recht auf Abtreibung begonnen. 1992 scheint eine Einigung in Sicht.

Die Wiedervereinigung und der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik setzen das seit Langem umstrittene Thema Schwangerschaftsabbruch erneut auf die politische Tagesordnung. Im Einigungsvertrag verständigt man sich darauf, bis Ende 1992 zu einer neuen, gesamtdeutschen Regelung zu kommen. In der DDR hat es eine Fristenlösung geben: Die Frauen konnten eine Abtreibung vornehmen, ohne sich dafür rechtfertigen oder einen Antrag stellen zu müssen.

In der BRD ist hingegen seit 1976 die sogenannte Indikationslösung in Kraft. Sie sieht Straffreiheit für Abtreibungen nur dann vor, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen - zum Beispiel eine Schwangerschaft durch Vergewaltigung. Es wird nach einem parteiübergreifenden Kompromiss gesucht und am 26. Juni 1992 scheinbar auch gefunden: Der Bundestag beschließt eine legale Fristenlösung mit Beratungspflicht - mit den Stimmen von 32 Unionsabgeordneten.

Das BVerfG stoppt die Abtreibungsreform (am 04.08.1992)

WDR Zeitzeichen 04.08.2022 14:53 Min. Verfügbar bis 04.08.2099 WDR 5


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Nicht zum ersten Mal

Doch dann klagen die bayerische Landesregierung und 241 Unionsabgeordnete beim Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz. Die Richter setzen am 4. August 1992 mit einer einstweiligen Anordnung den Bundestagsbeschluss für eine Fristenlösung außer Kraft. Das nachfolgende Urteil ein Jahr später bestätigt die Entscheidung.

Das geschieht nicht zum ersten Mal. Bereits 1974 hat sich der Bundestag für eine straffreie Fristenlösung ausgesprochen. Auch damals hat das Bundesverfassungsgericht den parlamentarischen Beschluss aufgehoben. Die Richter stützen sich jeweils auf Artikel zwei des Grundgesetzes: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Das gelte auch für das neue Leben im Bauch der Mutter.

Beratungsregelung als Kompromiss

Nach dem Urteil von 1992 muss der Bundestag eine neue Lösung finden. Nach vielen Diskussionen wird der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches drei Jahre später reformiert. Der Bundestag stimmt für die sogenannte Beratungsregelung. Danach sind Abtreibungen noch immer rechtswidrig. Sie können mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe verfolgt werden.

Aber Abbrüche bleiben straffrei, wenn bis zum dritten Schwangerschaftsmonat eine Beratung erfolgt, eine gesundheitliche Gefahr für die Frau besteht oder wenn eine Vergewaltigung vorliegt. Diese Regelung gilt bis heute. Sie ist für viele tragbar, für viele andere jedoch gehört sie abgeschafft - zugunsten der freien Entscheidung der Frau über ihren Körper, ohne Strafandrohung und Beratungspflicht.

Die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch wäre jedoch ein schwieriges Unterfangen. Dazu müsste es wohl einen gesellschaftlichen Konsens darüber geben, wann das menschliche Leben beginnt und ab wann es durch Gesetze geschützt werden muss - so wie es das Bundesverfassungsgericht bisher eingefordert hat.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Irene Geuer
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. August 2022 an den Stopp der Abtreibungsreform. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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