Nur eine krude Ideologie sei in der Lage, die Klimakrise zu überdecken, sagt der Philosoph Jean-Pierre Wils. "Diese Megakrise überlagert andere Konflikte aufgrund ihrer Unabwendbarkeit, ihrer Dauerhaftigkeit und ihrer vermutlichen Unlösbarkeit." Wir müssen uns in ihr einrichten. Und das hat Folgen: "Um Einschränkungen und Verzichte werden wir nicht herumkommen." Wils fordert vehement, dieser Tatsache endlich in die Augen zu sehen statt sie zu verdrängen: "Das Zeitalter der Narkotisierung ist vorbei. Es braucht Mut zum ehrlichen Realismus." Das betreffe, so Wils, die Gesellschaft, aber auch jeden Einzelnen. Und es betreffe auch die Sprache, die Handlungen prägt: Maßhalten, Verzicht, Pflichten, Genügsamkeit und Sparsamkeit – solche Begriffe, die ja Haltungen prägen, seien zu wenig populär, um wirklich wirksam sein zu können. Die Freiheit, argumentiert der Philosoph, ist in dem Luxus-verwöhnten Gebilde moderner, kapitalistisch orientierter Gesellschaften zum Fetisch geworden; es werde erhitzt und wenig realistisch über sie diskutiert. Diese Diskussion sei weniger substantiell, als ein Ausdruck des Widerstands "gegen die Anmutung, den eigenen Lebensstil zu überdenken, und die politische Unwilligkeit, ernste Korrekturen in Erwägung zu ziehen". Diese These gründet auch auf der Beobachtung, dass es im gesellschaftlichen Diskurs verschiedene Fehldeutungen von Freiheit gibt. Dabei entstehe ein Absolutismus von Freiheit. "Ihm ist die Vorstellung fremd, dass es Grade von Freiheit gibt." Und dass Freiheit immer auch eine Freiheitsgeschichte hat, die zeigt, dass wir nur in kooperativen Verhältnissen wirklich frei sein können.
Welche Rolle spielt der Verzicht, warum fällt er Vielen so schwer? Bedeutet es eine Einschränkung von Freiheit, wenn Verzicht geboten ist? Lassen sich für Sie Verzicht und Freiheit gut vereinbaren?
Hörer:innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de.
Redaktion: Gundi Große
Literaturhinweis: Jean-Pierre Wils: Verzicht und Freiheit. Überlebensräume der Zukunft. Hirzel Verlag, 2024.
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