Daniel Finkernagel im Filmmusik-Check
Sie sorgen bei WDR 3 für das Kopf-Kino: Susanne Herzog, Daniel Finkernagel, Nele Freudenberger, Jörg Lengersdorf und Martin Zingsheim begleiten Sie durch Ihren Filmmusiktag. Im Filmmusik-Check verrät Daniel Finkernagel, wer sein liebster Filmmusikkomponist ist und welche Filmfigur er gern treffen möchte. Lassen Sie sich inspirieren.
Meine Lieblingsfilmmusik:
Kann man die desillusionierte Stimmung einer ganzen Epoche, das ausweglose Drama einer mörderischen "Amour fou"-Geschichte und dazu noch das traumverlorene nächtliche Paris mit einem einsamen gedämpften Trompetenton ausdrücken? Miles Davis konnte es. In nur vier Stunden hat er den Soundtrack zu Louis Malles genialem Debüt "Fahrstuhl zum Schafott" eingespielt. Louis Malle hat damit die Türen zur Nouvelle Vague aufgestoßen und Miles Davis zu einem neuen Genre im Jazz, dem Cool Jazz.
An diese Filmmusik erinnere ich mich besonders gut:
Eine Schlüsselszene von Stanley Kubricks monumentalem Science Fiction Epos "2001 - Odyssee im Weltraum": György Ligetis "Athmosphères". Als die beiden Astronauten mit ihrem Raumschiff Richtung Jupiter rasen, bleibt die Kinoleinwand zunächst minutenlang schwarz und explodiert dann in orgiastischen Farbreflexen, die auf den Zuschauer zurasen. Es ist in dieser Sequenz unmöglich zu entscheiden, ob hier die knallbunten Bilder in Musik explodieren oder umgekehrt. Ist das Filmmusik oder Musikfilm?
Was macht eine gute Filmmusik aus?
Wenn Musik und Film so eng verschmelzen, dass sie nicht mehr zu trennen sind, das sind für mich die großen cineastischen Glücksmomente. Wenn die küssenden Menschen in Großaufnahme durch küssende Streicher-Einheiten ein Ausrufezeichen bekommen – wie entsetzlich langweilig! Wenn die Musik auch durchaus mehr wissen kann als die Handlung, wenn die Musik nicht nur den Teppich liefert, sondern auch einen doppelten Boden, dann können Glücksmomente für Augen und Ohren im Kino entstehen.
Mein Geheimtipp für Filmmusik:
In Stanley Kubrick "Eyes wide shot" irrt Tom Cruise alleine durch das nächtliche New York und wird dabei von einem Unbekannten verfolgt. Die Tonspur besteht aus einem einzelnen immer wieder gehämmerten Klavierton. Ein Ausschnitt aus György Ligetis "Musica Riccercata". Mit nur einem einzigen Ton erschließt die Musik sofort die Meta-Ebenen, um die es in dieser Film-Adaption von Schnitzlers "Traumnovelle" geht: die Abgründe unseres Unterbewusstseins mit all den verborgenen Sehnsüchten und Ängsten.
Diese Filmfigur würde ich gerne treffen
Humphrey Bogart in "Casablanca". Zusammen mit Bogey am Tresen von "Ricks Café” sitzen, sich einen Drink genehmigen und Sam am Klavier zuhören, wie der "As time goes by" spielt.