"Nichts gleicht der Trägheit, Dummheit, Dumpfheit vieler deutscher Geiger. Alle 14 Tage kommt einer und will mir das 1. Concert vorspielen; ich bin schon grob geworden, und habe ihnen gesagt: Ich kann dieses Konzert nicht mehr hören." Max Bruch hat in seinen letzten Lebensjahrzehnten Grund zur Bitterkeit. Zwar ist er ebenso bekannt wie angesehen, vor allem aufgrund seines Violinkonzertes op. 26, das nach der Uraufführung am 7. Januar 1868 durch Joseph Joachim ein Welterfolg wird. Doch die meisten Geiger lassen seine übrigen Werke für Violine nun links liegen.
Bruch wird 1838 in Köln geboren – eine Gedenktafel am Richmondisturm am Kölner Neumarkt markiert bis heute seine Geburtsstätte. Er erhält seine Ausbildung vor allem bei den Komponisten und Pianisten Carl Reinecke und Ferdinand Hiller. Letzterer setzt sich besonders für den jungen Komponisten ein und bleibt ein wichtiger Mentor für Bruch, der bald mit ersten Werken an die Öffentlichkeit tritt.
Im Sommer 1864 – er ist gerade 26 Jahre – nimmt Max Bruch sein Violinkonzert in Angriff. Gerade hat er einen der großen Geiger des 19. Jahrhunderts kennengelernt: Joseph Joachim. Er inspiriert Bruch zu einer Arbeit, die sich über vier Jahre hinzieht. "Mein Violin-Concert avanciert langsam: ich fühle mich auf dem Terrain nicht sicher", schreibt Bruch 1865 an Hiller. Nach zwei Voraufführungen und einem halben Dutzend Neufassungen beendet er erst am 22. Oktober 1867 die Partitur.
Joseph Joachim gibt dem Komponisten wichtige Anregungen zur solistischen Gestaltung. Vielleicht ist es auch sein "Ungarisches Konzert", das Bruch als Vorbild für das temperamentvolle, "ungarische" Finale dient. Bruchs Konzert ist gesättigt mit mitreißender Melodik.
Der erste Satz hat rhapsodischen Charakter, während das Herz des Konzertes der langsame Satz ist, das Adagio mit seinem wunderschön schmelzenden, romantischen Hauptthema. Das kraftvolle Finale frönt der musikalischen Ungarn-Mode jener Zeit.
Mit ihrer Gesamteinspielung aller Werke von Bruch für Violine und Orchester hat Antje Weithaas einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, den rheinischen Komponisten aus der "Schmonzetten-Ecke" zu holen, wie sie es ausdrückt. Weithaas hat einige Jahre an der Berliner Universität der Künste unterrichtet. Hier hat Max Bruch zwei Jahrzehnte seine Kompositionsklasse geleitet.
Die Geigerin, einer der herausragenden Violin-Pädagoginnen unserer Zeit, interpretiert das berühmte Bruch-Konzert ernsthaft und differenziert. In ihrer Werkbetrachtung ist ihr die NDR Radiophilharmonie unter Hermann Bäumer ein ebenbürtiger Partner.
Eine Collage von Markus Bruderreck
Redaktion: Eva Küllmer
CD-Tipp
Max Bruch: Sämtliche Werke für Violine & Orchester Vol.2
Antje Weithaas (Violine)
NDR Radiophilharmonie
Hermann Bäumer (Leitung)
Label: cpo
Bestellnummer: 777 846-2