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Augustiner-Chorherren-Stift. Bruckner-Zimmer mit Klavier im Stift St. Florian, Oberösterreich.

WDR 3 Werkbetrachtung: Anton Bruckners Sinfonie Nr. 2

Seine zweite Sinfonie schrieb Anton Bruckner 1871 in einer Lebenskrise, zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Dirigent Bruno Weil entdeckt Jugenderinnerungen, Jodler und Passion, Zitate aus Bruckners f-moll Messe und aus Haydns "Sieben letzten Worten".

Anton Bruckner war als Komponist und als Mensch ein Einzelgänger, ein Sonderling. Die Bruckner-Rezeption ist eine Geschichte von Missverständnissen, Fehlinterpretationen. Zu den Sinfonien gibt es eine Vielzahl, zum Teil fehlerhafter Fassungen. Um Bruckners Werk zu interpretieren, muss man nicht nur seine modernen sinfonischen Konzepte und geniale Satztechnik verstehen, sondern auch die Besonderheiten seiner Persönlichkeit, seines Lebenswegs. Ein besonderes Beispiel dafür ist die zweite Sinfonie c-Moll, die 1871/72  entstand. Bruckner hatte kurz zuvor eine tiefe Krise erlebt. Er war 1868 nach Wien gekommen, um Harmonielehre am Konservatorium zu unterrichten.

WDR 3 Werkbetrachtung: Anton Bruckners Sinfonie Nr. 2

WDR 3 TonArt 27.05.2017 17:27 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3


Als Komponist war er noch kaum bekannt, als Orgelvirtuose wurde er jedoch gefeiert. 1869 unternahm Bruckner erfolgreiche Konzertreisen nach Nancy und Paris, 1871 wurde er in London als Organist von Tausenden Zuhörer bejubelt. 1869 wurde seine e-Moll-Messe, 1872 seine f-Moll Messe positiv aufgenommen. Bruckner, der ständig an sich zweifelte, brauchte solche Bestätigungen. Doch als er mit der Komposition der Zweiten Symphonie beginnen wollte, kam es aus dem Nichts zu einem Skandal.

Anton Bruckner gab, um seinen Lohn aufzubessern, an einer Lehrerinnen-Bildungsanstalt Klavierunterricht. Er nannte eine Schülerin vertraulich "Lieber Schatz". Dem alleinstehenden, unbeholfenen Komponisten wurde das als unsittliche Annäherung ausgelegt. Bruckner musste sich wegen Gefährdung der Moral verteidigen, die Presse bekam davon Wind, der Komponist geriet in einen aufgebauschten Skandal. Davon blieb letztlich nichts übrig, doch Bruckner fühlte sich zu Unrecht verdächtigt, öffentlich gedemütigt, und verurteilt.

In dieser Stimmung entstand die zweite Sinfonie, und Bruckners Lebens-Umstände haben sich in das Werk eingeprägt, mit seiner unruhigen, pessimistischen Grundhaltung. Verzweifelte Ausbrüche, innige Gebete, wüste Tanzboden-Szenen und ratloses Verstummen ziehen sich durch alle vier Sätze. "Pausen-Sinfonie" wurde Bruckners Zweite genannt, weil immer wieder die Musik abbricht. Im langsamen Satz zitiert er das Kyrie und das Benedictus aus seiner f-moll Messe, als Zeichen seines Glaubens. Und Bruckner zitiert ein chromatisches Streichermotiv aus Joseph Haydns "Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz", wie einen Hinweis auf seine eigene Verurteilung und Leiden.

Der Dirigent Bruno Weil ist einer der führenden Dirigenten auf dem Gebiet der Wiener Klassik. Er leitete viele Jahre die Cappella Coloniensis und ist international ein gefragter Gastdirigent. Bruno Weil hat sich lange und intensiv mit Bruckners Sinfonien auseinander. Er erläutert die zweite Sinfonie c-Moll, entdeckt versteckte Motive und Zitate, und deutet Verbindungen von Bruckners Werk und Leben.

Eine Collage von Christian Kosfeld

Redaktion: Eva Küllmer