Aus Mozarts Kinderzeit existieren vor allem zwei Dokumente, die sich bis heute überliefert haben. Im 1759 angelegten, so genannten "Nannerlbuch" sammelte Leopold Mozart für seine Kinder eigene Lehrstücke sowie Abschriften aus anderen Werken und ließ zudem noch Platz für Übungen. Die darin enthaltenen Stücke wurden später Seite für Seite an interessierte Musikliebhaber verschenkt; bis heute lässt sich das gesamte Dokument nicht vollständig rekonstruieren.
Die andere, bedeutendere Quelle ist das "Londoner Skizzenbuch" des achtjährigen Mozart. Das kleine Büchlein im Querformat, 98 Seiten stark, umfasst zahlreiche, offenbar fieberhaft zu Papier gebrachte kleine Stücke: 43 Tänze im barocken Stil wie Menuett, Gigue, Kontertanz und Siciliano, aber auch kleine Sonaten und andere musikalische Miniaturen und Fragmente. Es ist "di Wolfgango Mozart / à Londra / 1764" signiert und wurde von Mozart während des Aufenthaltes der Familie in England befüllt.
Während der Reise lag Leopold Mozart in London "bis zum Tode krank"; so jedenfalls berichtet es Nannerl Mozart 1800 in ihren Erinnerungen. Der Vater konnte nun nicht seinen Sohn unterrichten, seine Fantasie kanalisieren und kleine Fehler glätten. Auch die finden sich im "Londoner Skizzenbuch", erklärt der Pianist Martin Stadtfeld. Sie fielen aber kaum ins Gewicht, denn die Sammlung sei eine Quelle ersten Ranges, in dem Mozarts Genie erstmals glasklar zu Tage tritt.
Stadtfeld hat sich die kleinen Stücke eingerichtet und spielt sie auch immer wieder im Konzert. "Es steht nichts zwischen uns und den kreativen Schöpfungen dieses unfassbaren Kindes", meint der Pianist und zieht Parallelen zu späteren Meisterwerken, deren Tonfall im "Londoner Skizzenbuch" vorgeprägt sind.
Eine Collage von Markus Bruderreck
Redaktion: Eva Küllmer
Sendung
CD-Tipp
Mozart: "Londoner Skizzenbuch"
Martin Stadtfeld (Klavier)
Mozarteum Orchester Salzburg
Label: Sony Classical
Bestellnummer: 88875076842