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Anna Lucia Richter als Idamante in Mozarts „Idomeneo“ an der Oper Köln

18.02.2024 – Mozart, "Idomeneo" in Köln

Stand: 18.02.2024, 09:30 Uhr

Bei der Neuproduktion von Mozarts "Idomeneo" an der Kölner Oper (noch im Staatenhaus) konnte man ausgezeichnete Sängerinnen und Sänger erleben. In der Titelrolle agierte Sebastian Kohlhepp als traumatisierter Schmerzensmann (so sieht ihn der Regisseur Floris Visser). Seine Arie "Fuor del mar" gestaltete er mit nach innen gekehrter Verzweiflung, so dass auch seine Wutschreie noch etwas Zurückhaltendes hatten, dabei aber mit klarer Fokussierung der Gesangslinie.

Der zentrale Gedanke dieser Inszenierung ist tatsächlich die Traumatisierung, die der Kriegsherr erleidet und ihn als psychisch gebrochenen Menschen in einer Gummizelle enden lässt. Die ganze Oper ist als eine Rückblende angelegt. Man sieht die Figur eines gealterten Idomeneo als stumme Rolle und einen schwarz gekleideten Mann mit Axt (der im Programmheft als "das Trauma" betitelt ist), die die ganze Zeit umherwandeln.

Die Rolle seines Sohnes Idamante sang bei der Uraufführung ein Altkastrat. Mittlerweile wird der Idamante meist besetzt, was man in der Opernliteratur als Hosenrolle bezeichnet, in Köln von der Mezzosopranistin Anna Lucia Richter. Ihren Wechsel vom Soubrettenfach in die tieferen Frauenstimmenregionen hat sie überzeugend vollführt und singt die Partie mit weichem Timbre, aber voller Glut und Intensität, etwa in der Auftrittsarie "Non ho colpa", wo er/sie sich zum ersten Mal der noch heimlich geliebten Trojaner-Prinzessin Ilia annähert. Damit glich sie aus, dass ihre zierliche Gestalt im Konfirmanden-Anzug nicht zum Habitus des künftigen Königs passte.

Die musikalisch wahrscheinlich einnehmendste Nummer des Abends war Ilias Arie im 2. Akt "Se il padre perdei" mit Kathrin Zukowski, auch deswegen weil die Stimme und die Blasinstrumente des Orchesters hier wie auf einem Atem musizierten, während man im 1. Akt oft das Gefühl hatte, das von Rubén Dubrovsky geleitete Gürzenich-Orchester würde immer ein wenig hinter den Stimmen schleppen. Dieser Eindruck stellte sich zumindest im Zuschauersaal des akustisch nach wie vor problematischen Staatenhauses ein. Besser war es immer dann, wenn der nach hinten offene Bühnenraum wie in dieser Szene geschlossen wurde, so dass man wohl den Musikern keinen Vorwurf machen kann, vielleicht aber dem Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann, dessen Grundidee – neben der akustisch funktionierenden Gummizelle - eine Felslandschaft mit flacher Vorderbühne war. Auf Papp-Felsen mussten die Protagonisten dort herumstaksen und hoffen dabei nicht zu stolpern. Vorne stand der Chor auf der ungestalteten Fläche herum oder es wurde hektisch hin und her gerannt, wodurch für das Auge eine ständige Unruhe erzeugt wurde. Den Mut zur Kontemplation und zur konzentrierten Interaktion gestand der Regisseur Floris Visser seinen Protagonisten nicht zu, so dass selbst Ilia in besagter Arie mit einem Messer hantierte, so als ob die neue Vaterschaft, die sie gegenüber Idomeneo bezeugt, nur geheuchelt ist.

Was Ilia das Messer war, war Elettra die Axt, die sie sich vom "Trauma-Mann" geliehen hatte und mit der sie bei ihrer Selbstmordarie "D’Oreste, d’Aiace" am liebsten alles kurz und klein geschlagen hätte. Ana Maria Labin legte in ihre Stimme ein unruhiges, aber kontrolliertes Flackern und gab dieser Rolle die Bosheit mit, die der Regisseur ihr zugedacht hat.

Bleibt noch die Rolle des Arbace, laut Rollenkatalog ein Vertrauter Idomeneos. In der Kölner Produktion ist er eine Art Universalperson: Staatsbeamter, Pfleger in der psychatrischen Klinik, Berater im Businessoutfit und sogar ein Soldatenanwerber, der einen jungen Mann direkt vom Strand weg, wo dieser mit seinem Sohn weilt, zwangsrekrutiert und sofort in Kampfmontur steckt. Einer von den vielen Einfällen des Produktionsteams, mit der sie aus der Oper ein überladenes pantomimisches Theater von Nebenhandlungen machten. Anicio Zorzi Giustiniani jedenfalls sang den Arbace mit makelloser Belcanto-Tenorpräsenz. Er zeigte eine Figur, die mal innere Beteiligung und dann die kalte Berechnung eines Strippenziehers verkörperte.

Premiere: 17.02.2024, noch bis zum 13.03.2024

Besetzung:
Idomeneo: Sebastian Kohlhepp
Idamante: Anna Lucia Richter
Ilia: Kathrin Zukowski
Elettra: Ana Maria Labin
Arbace: Anicio Zorzi Giustiniani
Gran Sacerdote: John Heuzenroeder
La Voce: Lucas Singer

Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln

Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Inszenierung: Floris Visser
Bühne: Frank Philipp Schlößmann
Kostüme: Gideon Davey
Choreographie: Pim Veulings
Licht: James Farncombe
Chorleitung: Rustam Samedov
Dramaturgie: Stephan Steinmetz