Der Reggae-Revolutionär
Bob Marley
Stand: 19.08.2021, 16:00 Uhr
6.2.1945-11.5.1981 - so könnte man nüchtern schreiben, und jeder weiß, was die Daten besagen. Der Taschen-Brockhaus von 1983 (!) konnte ihn noch dreist ignorieren und Schwarze durchweg mit dem N-Wort betiteln. Dass das heute nicht mehr geht, ist auch ein Verdienst Marleys. Seinen ersten Song nahm Marley 1962 auf, seinen letzten 1980.
Sieht man von der zweifelhaften Verehrung für einen äthiopischen Diktator ab (Haile Selassie), hat Marley eine Menge für das Bewusstsein und Selbstbewusst-sein der Schwarzen auf der ganzen Welt getan. Geboren wurde Robert Nesta Marley als Sohn eines englischen Marineoffiziers und einer 18jährigen Jamaikanerin. Auf Clement Dodds Label Coxsone spielt er mit der Band Wailing Wailers (bestehend aus ihm und seinen Kumpels Bunny Livingstone und Peter McIntosh) zwischen 1963 und 1966 Meilensteine des Rocksteady ein. Ein Aufenthalt in den USA mit der Mutter - es ist die Zeit der Bürgerrrechtsbewegung - bekehrt ihn zum Rastafari, die Texte werden spirituell und treten für die Belange der Schwarzen ein.
Immer politischer
Lee Perry nimmt die Wailing Wailers unter seine Fittiche, vier Alben, darunter "Soul Rebel" werden Kult. Der Durchbruch in Europa dann 1972: Chris Blackwell nimmt die - nun nur noch unter "Wailers" firmierenden - Musiker unter Vertrag. "Stir It Up" und "I Shot The Sheriff" werden die ersten Welthits. Zum Bruch kommt es 1975: MacIntosh und Livingstone machen sich als Peter Tosh und Bunny Wailer selbständig, Marleys Combo heißt fortan "Bob Marley & The Wailers". Bobs Frau Rita nimmt nun eine wichtigere Position in der Band ein, die Hymne "No Woman, No Cry" wird ein großer Erfolg, Marley zunehmend politisch aktiv. Einen bewaffneten Überfall auf sein Haus beantwortet er 1977 mit dem Gang ins Londoner Exil. Die letzten Lebensjahre sind geprägt von Reisen nach Afrika, durch die er sein soziales Bewusstsein schärft, große Konzerte und weitere Hits wie "Could You Be Loved" und "Redemption Song".
Den Reggae um die Welt getragen
Im September 1980 sieht er sich mit der Diagnose Hirntumor konfrontiert, eine Behandlung kommt zu spät. Fast wäre Marley in Deutschland gestorben: Nur wenige Tage nach einem Klinik-Aufenthalt in Bayern erliegt er in Miami seinem Krebsleiden, auf dem Rückweg nach Jamaika. Marleys Songs sind zu Hymnen gegen Rassismus und Willkür geworden. Er hat den Reggae um die Welt getragen wie keiner vor oder nach ihm, hat ihn mit Soul, Funk und Rock bekannt gemacht und die Hitparaden aufgemischt. Und sich vehement fürs Kiffen eingesetzt. Zwiespältig die Rolle, die seine Frau Rita als Verwalterin des Erbes einnimmt. Zu den Feierlichkeiten seines 60 Geburtstags kam die Meldung auf, die Witwe wolle den Leichnam Marleys exhumieren und nach Äthiopien überführen lassen. Stattdessen gab es aber in Addis Abbeba am 6.2.2005 ein Gedenkkonzert von pompösesten Ausmaßen vor 300.000 Zuschauern: Während sich auf der Bühne neben dem Marley-Klan Angélique Kidjo und Lauryn Hill zur Huldigung einfanden, protestierten verschiedene äthiopische Gruppierungen am Rande gegen die Vereinnahmung ihrer Nation als "Zion" und die Gleichsetzung ihres Ex-Kaisers mit "Gott". Und wie hätte Marley wohl auf das Sponsoring seines Memorial Concerts durch Coca Cola und die Weltbank reagiert?
Diskografie (Auszug):
- Uprising Live! (2020, Eagle Records)
- Love Life (2007, Exceed)
- No Sympathy (2006, P-Vine Records)
- One Love (1991, Creative Sounds)
- Bob Marley (1988, Slam Records)
- Chances Are (1981, Cotillion)
- Soul Rebels (1970, The Intense Music)