Selbstzweifel, Schaffenskrise, Depressionen. Das ist der Zustand, in dem sich Sergej Rachmaninow um die Wende zum 20. Jahrhundert befindet. Im März 1897 erlebte er ein künstlerisches Trauma, als die Uraufführung seiner ersten Sinfonie für ihn zum persönlichen Desaster wurde. Fast drei Jahre lang verbrachte Rachmaninow sein Leben wie in Schockstarre. Er selbst erinnerte sich 15 Jahre später: "Mir ging es wie einem Menschen, der einen Schlaganfall erlitten hatte und für lange Zeit unfähig war, seinen Kopf und seine Hände zu gebrauchen". An Komponieren war nicht im Geringsten zu denken. Schließlich konnten Rachmaninows Freunde ihn dazu bewegen, sich Anfang des Jahres 1900 bei dem Arzt und Therapeuten Nikolaj Dahl in Behandlung zu begeben. Dahl erkundigte sich in Rachmaninows engerem Kreis, wie sich seine Beschwerden äußerten und welche Art von Komposition ein anzustrebendes Ziel sein könnte. Die einhellige Meinung lautete: ein Klavierkonzert.
Auf dieser Wissensbasis begann der Arzt mit Rachmaninow eine dreimonatige Hypnotherapie. In fast täglichen Gesprächen schaffte er es, ihm durch Suggestion eine allmählich wachsende Zuversicht zu geben. Gut drei Jahrzehnte später erinnerte sich der Komponist: Dahl "wiederholte für mich jeden Tag: 'Sie werden mit Ihrem zweiten Konzert beginnen. Sie werden mit großer Leichtigkeit arbeiten. Das Konzert wird gut sein.'" Zu Rachmaninows eigener Verwunderung trug diese Form der Therapie Früchte: Den Sommer verbrachte er in Italien, und tatsächlich kehrte er mit ausführlichen Skizzen zum zweiten und dritten Satz seines zweiten Klavierkonzerts heim. Bis zum Ende des Jahres konnte er sie vollenden. Bereits im Frühjahr 1901 war dann auch der erste Satz abgeschlossen. Seit der Uraufführung am 27. Oktober desselben Jahres ist Rachmaninows zweites Klavier- konzert mit seiner glutvollen Melancholie eines seiner erfolgreichsten Werke.