IPCC-Bericht: Wie wir den Klimawandel noch bremsen können
Stand: 20.03.2023, 14:00 Uhr
Das 1,5-Grad-Ziel steht auf der Kippe, aber noch ist nicht alles zu spät: In seinem neuen Bericht warnt der Weltklimarat IPCC - und erklärt, was jetzt im Kampf gegen den Klimawandel passieren muss.
Von Timo Landenberger
Die Warnungen des Weltklimarats (IPCC) sind deutlich: Die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel schreitet weiter voran. Die Folgen werden immer stärker spürbar und erfordern drastische Maßnahmen von Politik und Gesellschaft.
Seit 2015 haben die Wissenschaftler des IPCC insgesamt sechs Berichte veröffentlicht, darunter die drei Teile des mittlerweile sechsten Sachstandsberichts über den Klimawandel, seine Folgen und mögliche Gegenmaßnahmen. In Interlaken in der Schweiz wurden nun die Kernbotschaften herausgearbeitet und zusammengefasst.
Eine Woche lang berieten rund 700 Vertreter der 195 Mitgliedsländer der UNO-Klimaorganisation über die genauen Formulierungen des sogenannten Syntheseberichts und segneten Zeile für Zeile ab. Das Dokument zeigt also nicht nur den Stand der Forschung, sondern gilt auch als richtungsweisend für die Klimapolitik und die internationalen Klimaverhandlungen der nächsten Jahre.
Die zentralen Botschaften
- Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen ist weiterhin entscheidend, allerdings kaum mehr zu schaffen. Dafür müssten die Treibhausgasemissionen erheblich schneller und drastischer gesenkt werden als bisher. Derzeit beträgt die Erderwärmung etwa 1,1 Grad. Der Weltklimarat geht davon aus, dass die 1,5-Grad-Marke bereits Ende der 2030 Jahre zumindest zeitweise überschritten wird.
- Extremwetter wie Dürre und Hitzeperioden sowie Starkregenfälle werden häufiger. Naturkatastrophen nehmen durch den Klimawandel zu. Die Veränderungen fallen stärker aus als vor den Berichten angenommen, viele davon sind unumkehrbar. Das gilt auch für das Schmelzen der Polkappen und Gletscher und den Anstieg des Meeresspiegels.
- Menschen in Entwicklungsländern sind besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Das liegt zum einen an der geografischen Lage, zum anderen aber auch an der wirtschaftlichen Situation, die häufig von Armut geprägt ist und Maßnahmen zur Anpassung erschwert. Gleichzeitig sind es die westlichen Industrienationen, die für den Klimawandel hauptverantwortlich sind.
- Es ist noch nicht zu spät: Eine Begrenzung des Klimawandels ist weiterhin möglich, bedarf aber großer politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Anstrengungen. So müssen die Investitionen in den Klimaschutz mindestens verdreifacht werden. Das Energiesystem muss vollständig auf Erneuerbare umgestellt werden. Auch in der Industrie, im Verkehr und in der Landwirtschaft brauchen wir weitreichende Veränderungen.
- Das Ziel: Netto-Negativ-Emissionen. Das heißt: Langfristig sollen mehr Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernt und gespeichert als ausgestoßen werden. Dafür muss auch die Natur besser geschützt und die Rolle von Wäldern und Böden als natürliche CO2-Speicher gestärkt werden.
"Die Zeit ist uns davongelaufen"
"Die Zeit ist uns in den vergangenen Jahren davongelaufen und die Dringlichkeit ist deutlich angestiegen", sagt Klimaexperte Matthias Garschagen von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der als Autor an der Erstellung des Berichts beteiligt war. Zwar gebe es immer breiteres Wissen über Lösungswege und auch politisch habe sich viel getan. "Aber wir sind sehr schlecht darin, die Ziele auf dem Papier auch tatsächlich umzusetzen." Ein wesentlich mutigeres und schnelleres Vorgehen sei nötig.
Tatsächlich wurde die 1,5-Grad-Grenze bereits bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris von den teilnehmenden Staaten anerkannt. Trotzdem hat sich die Subventionierung fossiler Energieträger nach Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weltweit noch einmal deutlich erhöht - auf rund 650 Milliarden Dollar. Damit übersteigt die Summe jene der Klimafinanzierung um ein Vielfaches.
Nachholbedarf in Deutschland
Gerade Deutschland müsse beim Klimaschutz eigentlich eine Vorreiterrolle einnehmen, sagt Annika Schröder, Klimaexpertin beim Misereor-Hilfswerk. Stattdessen werde durch neue Gas-Partnerschaften und Investitionen in fossile Infrastruktur die Botschaft in die Welt gesendet, das Land habe sich vom Klimaschutz wieder verabschiedet.
"Wir bräuchten in Deutschland eine Verdreifachung unserer jährlichen Emissionsminderung", sagt Arne Fellmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das deutsche Klimagesetz sei bestenfalls mit einem 2-Grad-Pfad kompatibel, keinesfalls mit den vereinbarten 1,5 Grad. Und selbst die eigenen Ziele würden regelmäßig verfehlt.
Was bringen die Berichte des Weltklimarats dann überhaupt? "Ohne die regelmäßigen Warnungen würde die Situation noch schlechter aussehen", sagt Lorenz Beckhardt aus der WDR-Wissenschaftsredaktion. Außerdem werde sich die Welt durch den Klimawandel weiter verändern. Diese Veränderungen und die politischen Maßnahmen zur Anpassung zu bewerten, werde immer eine wichtige Aufgabe des IPCC bleiben.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 20.03.23 unter anderem auf WDR 5 und im WDR Fernsehen.