Die Corona-Pandemie eine Herausforderung zu nennen, wäre eine Untertreibung. Dass bei der Bekämpfung von Covid-19 dann auch Fehler passieren, ist klar. Aber dass ihre drei wichtigsten Säulen so wackeln - Impfen, Testen, Nachverfolgung - ist schwer zu verstehen. Oder doch nicht? Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Vize-Kanzler im Interview mit Aktuelle-Stunde-Moderator Thomas Bug.
Thomas Bug: Wir haben heute Menschen hier im Westen gefragt, kommen sie eigentlich noch mit, bei dem, was da gestern beschlossen wurde? Erschreckend viele sagen, auch frustriert: nein. Das ist ein Problem, oder?
Olaf Scholz: Das ist ein Problem, deswegen habe ich im Vorfeld darauf bestanden, dass wir klare Öffnungsschritte benennen. Das ist auch geschehen mit fünf Schritten, die man zwar nicht sofort, aber doch überall disktutiert und auch umgesetzt werden, wenn es klappt mit der Strategie. Denn dazu zählt ja auch, dass getestet wird in großem Umfang, so dass wir uns trauen können, die Infektionszahlen stabil zu halten, selbst wenn sie nicht nach unten gehen.
Bug: Sie sagten "wenn es denn klappt". Das ist ja das Problem, von Anfang an managten Sie die Krise mit und stehen heute immer noch vor Riesenproblemen. Zu wenig geimpft, schlechte Strukturen bei der Nachverfolgung, im Moment zu wenig Schnelltests. Wird Ihnen die größte deutsche Tugend, die Genauigkeit, zum Verhängnis?
Scholz: Aus meiner Sicht war es ein Fehler, dass im letzten Jahr aus Europa heraus nicht genügend Impfstoff bestellt wurde. Ich habe das Anfang des Jahres thematisiert, viele fanden das sehr schwierig, darüber zu sprechen. Mittlerweile wissen wir das. Aber ich habe mich gleich auf die Themen konzentriert, die für die Zukunft wichtig sind, zum Beispiel, dass wir jetzt einen Beauftragten der Bundesregierung haben, der genau dieses Thema besser verhandelt.
Bug: Aber das ist doch reichlich spät, wir haben jetzt März. Die Pandemie läuft schon ein Jahr. Arbeitsgruppe zur Beschaffung von Schnelltests, Astrazeneca-Zulassung Ü-65, zweite Impfdosis nach hinten schieben - warum erst jetzt?
Scholz: Lauter gute Fragen. Eins ist klar aus meiner Sicht: Es ist wichtig, dass wir die Tests jetzt nutzen, die Schnelltests stehen seit Ende letzten Jahres zur Verfügung und werden im wachsenden Maße genutzt. Deswegen können wir das jetzt einsetzen, z.B. in Teststationen oder indem wir sagen, die Unternehmen sollen ihre Beschäftigten testen. Indem wir mit den neuen Schnelltests neue Chancen für die Schulen haben, die dann eingesetzt werden können. Die sind gerade alle zugelassen. Was die Zulassung der einzelnen Impfstoffe betrifft, bestehe ich schon darauf, dass nicht wir beide das miteinander verhandeln, sondern dass das die zuständigen Behörden machen. Aber auch das ist jetzt geschehen.
Bug: Da sind wir bei demjenigen, der dafür zuständig ist, nämlich beim Bundesgesundheitsminister. Wir erinnern uns daran, dass er um Verzeihung gebeten hat. Wenn er den Berg abarbeiten will, da hat er ein paar Tage mit zu tun, sich zu entschuldigen. Wie konnte das Krisenmangement an der Stelle so vor die Wand fahren?
Scholz: Mir ist wichtig, dass jetzt getan wird, was zu tun ist. Und die Frage, wie kriegen wir das hin mit der Öffnung - dazu gehören die Tests und natürlich das Impfen. Auch damit hat sich die Ministerpräsidentenkonferenz jetzt intensiv beschäftigt. Mein Wunsch ist, dass wir jetzt, wo Sie zu Recht so viele Probleme beschreiben, uns nicht die nächste begegnet - nämlich dass wir in kurzer Zeit eine Situation haben, in der wir sehr viel Impfstoff haben, Millionen Impfdosen pro Woche, und es dann nicht schaffen würden, alle an den Mann und an die Frau zu bringen. Ich glaube, da haben alle verstanden, dass sie mit aller Kraft dran arbeiten müssen.
Bug: Sie waren gestern bei der Ministerpräsidentenkonferenz dabei. Wie war das mit dem Beef zwischen Ihnen und Markus Söder zur Finanzierung des Härtefall-Fonds. Haben Sie gegrinst als "König von Deutschland" - Zitat Söder?
Scholz: Naja, er hat gesagt, ich sei ja noch nicht Kanzler, wenn ich das richtig verstanden habe. Ich finde es auf jeden Fall wichtig, wenn wir hier eng zusammenarbeiten, was im Ergebnis gelungen ist. Und natürlich habe ich eine Verantwortung für das Geld der Steuerzahler. Und wenn wir gemeinsam das Konzept erarbeiten, dass ein Risikofonds für Unternehmen zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden, da ist manchmal ein klares Wort hilfreich. Und wenn das nach ein bisschen Hin- und Her klappt, dann kann ich zufrieden sein.