Dieser Artikel ist im Homeoffice entstanden - ebenso wie die meisten anderen Beiträge in den Online-Angeboten des WDR der vergangenen Wochen. Das funktioniert offenbar nicht überall: Laut einer Erhebung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung haben im November lediglich 14 Prozent der deutschen Erwerbstätigen im Homeoffice gearbeitet. Beim ersten "Lockdown" im April waren es noch 27 Prozent.
Der dringende Appell der Bundesregierung an die Wirtschaft, Mitarbeiter möglichst von Zuhause aus arbeiten zu lassen, hat offenbar nicht viel bewirkt. Verpflichtet sind Unternehmen zu solchen Angeboten nicht. Viele Arbeitgeber bestehen weiterhin auf Präsenz am Arbeitsplatz.
Produzierendes Gewerbe bleibt außen vor
Was im Journalismus aus naheliegenden Gründen gut funktioniert, ist für viele andere Berufsgruppen aus praktischen Gründen nicht möglich. Das produzierende Gewerbe, Handwerksberufe und viele Dienstleister sind darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter anwesend sind. In zahlreichen Unternehmen und sogar Behörden fehlt es auch schlicht an der grundlegenden digitalen Infrastruktur.
Ein rein "elitäres Problem" ist Homeoffice trotzdem nicht: Schätzungsweise 40 Prozent aller Tätigkeiten könnten grundsätzlich von Zuhause aus erledigt werden, sagt Wirtschaftswissenschaftler Stefan Süß von der Uni Düsseldorf. Würde dieses Potenzial ausgeschöpft, könnte das möglicherweise einen wichtigen Beitrag leisten, die viel zu hohe Zahl der Neuinfektionen zu senken.
Studie sieht Homeoffice als entscheidenden Faktor gegen Corona
Das ist auch das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der Unis Mannheim und München, die bereits im Dezember veröffentlicht wurde. Die Wirtschaftswissenschaftler kommen darin zu dem Schluss, dass bereits ein Prozent mehr Arbeitnehmer im Homeoffice die Infektionsrate um bis zu acht Prozent verringern kann.
Hashtag #MachtBueroszu trendet
Unter dem Hashtag #machtbueroszu klagen bei Twitter viele Arbeitnehmer, ihre Chefs weigerten sich, Homeoffice einzuführen. "Es ist ungeheuerlich, welcher soziale Druck und emotionale Erpressung dafür stattfand", schreibt #hagenverfolgt. "Am Ende alle krank."
Weniger Betrieb in Büros - das fordert auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Meine Erwartung an die Wirtschaft, an die Arbeitgeber ist ganz klar. Macht Homeoffice, um das Pandemiegeschehen in den Griff zu bekommen", erklärte er am Montag im Gespräch mit der "Aktuellen Stunde". Er werde nun erneut mit großen Unternehmen und den Sozialpartnern über dieses Thema reden müssen.
Warnung vor "Lockdown der gesamten Wirtschaft"
Hubertus Heil
Wo kein Homeoffice möglich sei, müssten die Hygieneauflagen strikt eingehalten werden, sagte Heil weiter. Sonst könne er einen Stillstand auch in der Produktion nicht ausschließen. Einen "Lockdown der gesamten Wirtschaft" wolle er jedoch unbedingt vermeiden.
Mehrere Wirtschaftsverbände hatten sich zuvor gegen staatliche Einmischung gewehrt. Die Arbeitsorganisation jedes einzelnen Betriebes sei unterschiedlich und lasse sich nicht per Behördenverordnung von außen regeln, teilte zum Beispiel am Montag der Maschinenbauverband VDMA mit.
DGB: Kinderbetreuung im Homeoffice nicht möglich
Auch beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gibt es offenbar Bedenken. "Wir müssen dringend Regeln schaffen, dass Homeoffice nicht zur Überlastung führt", sagte DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann dem WDR am Montag. Im Blick auf geschlossene Schulen und Kitas sagte er: "Homeoffice und Kinderbetreuung kann nicht gleichzeitig geleistet werden." Dennoch müssten Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice haben - wenn sie denn wollen.
Verdi-Chef fordert mehr Aufmerksamkeit für produzierendes Gewerbe
Verdi-Chef Frank Werneke ist hingegen der Ansicht, dass die Diskussion um Homeoffice am wahren Problem vorbeigeht. Noch wichtiger als Homeoffice sei eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Branchen, wo Menschen besonders eng zusammenarbeiten müssen - beispielsweise in einem Logistik-Center von Amazon. Die Infektionsgefahr sei überall dort hoch, wo es nicht um "kuschelige Büroarbeit" ginge, sagte Werneke dem WDR am Dienstag.