Lockerungen mit "Maß und Mitte" oder ein "Chaos-Plan" zum falschen Zeitpunkt - im NRW-Landtag haben die Corona-Vereinbarungen von Bund und Ländern gegensätzliche Reaktionen ausgelöst. Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer warnte am Donnerstag in Düsseldorf vor einer verfrühten "Kehrtwende" weg vom Lockdown. Sie befürchtet, ähnlich wie führende Wissenschaftler, dass die Infektionszahlen steigen werden. CDU und FDP sahen ihren Kurs hingegen bestätigt. Die SPD forderte die Landesregierung auf, die neuen Regeln genauer zu erklären.
Laschet verteidigt schrittweise Öffnungen
Zu Beginn der Plenarsitzung unterrichtete Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) das Parlament über die Vereinbarungen. "Es gibt kein klares Öffnen", sagte Laschet. Aber es gebe auch keine Fortsetzung des Lockdowns, sondern "Maß und Mitte". Er nannte die aktuelle Corona-Lage "entspannt".
Laschet betonte, die reine Inzidenzzahl sei nicht das Kriterium. Es gebe in NRW "Hotspots", aber auch Städte, die deutlich unter 50 liegen. Deshalb gebe es nun die Möglichkeit, regionaler zu agieren "und da wo andere Werte erreicht sind auch andere Möglichkeiten zu schaffen". Offen blieb, ob die Grenzwerte in dem neuen Modell mit "Öffnungschritten" nur in einzelnen Städten oder Kreisen erreicht werden müssen oder im Schnitt für ganz NRW.
Der Ministerpräsident verteidigte die vereinbarten Öffnungen im Handel und die Lockerung der Kontaktbeschränkungen als Weg "zurück ins Leben". Laschet warb für ein Konzept aus Impfen, Testen und digitaler Kontaktnachverfolgung. "Wir werden den Umgang mit dem Virus lernen müssen. Die Idee, es auf Null zu bringen, ist nicht realistisch", sagte Laschet.
SPD: Test-Infrastruktur ausbauen
SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, der vor der Ministerpräsidentenkonferenz ein Ende des Lockdowns gefordert hatte, bezeichnete die Beschlüsse als "Mischung aus Lockdown und Lockerung". Die Vereinbarungen erinnerten ihn an einen "Beipackzettel eines Medikaments", "lang und kompliziert mit vielen Risiken und Nebenwirkungen". Die neuen Regeln mit der Abkehr von der Inzidenzzahl 35 müsse man den Bürgerinnen und Bürgern erklären, forderte Kutschaty von Laschet.
Die Test-Infrastruktur müsse ausgebaut werden. Kutschaty warf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein "Desaster" vor. Denn der habe die versprochenen Schnelltests noch nicht bestellt. Kutschaty forderte die Landesregierung auf, schnell ein Testkonzept vorzulegen - unter anderem, um die Schulen weiter zu öffnen.
Grüne kritisieren Laschet
"Das Chaos ist komplett", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende Schäffer. Laschet habe noch im Januar den Mahner vor einer dritten Welle gegeben und jetzt wieder den Lockerer. Schwarz-Gelb habe mit öffentlichen Meinungsverschiedenheiten zum Chaos in der Krise beigetragen. Das "Hin und her" mache die Menschen mürbe.
Schäffer sprach von "Arbeitsverweigerung", da es noch immer keine Teststrategie gebe. Außerdem gehe es bei den Impfungen zu langsam voran. Deshalb sei es ihr "unbegreiflich", wie man zum jetzigen Zeitpunkt auf Lockerungen setzen könne.
FDP für schnellere Gastronomie-Öffnung
FDP-Fraktionschef Christof Rasche lobte die Bund-Länder-Runde. Es sei ein Einstieg in Öffnungen beschlossen worden. Die Öffnung der Außengastronomie am 22. März komme aber zum Beispiel sehr spät.
Der AfD-Abgeordnete Christian Loose kritisierte unter anderem Versäumnisse der Regierenden bei den Corona-Schutzimpfungen und sprach von "willkürlichen" Einschränkungen der Grundrechte.
Bei fast zehnstündigen Verhandlungen hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länder-Ministerpräsidenten neue Corona-Beschlüsse ausgearbeitet. Vereinbart wurden eine neue Teststrategie und stufenweise Öffnungen mit eingebauter Notbremse. Zudem versprachen die Politiker nach den Beratungen mehr Tempo bei den Impfungen.