Es sollte ein schöner Abend für Kardinal Reinhard Marx und die Deutsche Bischofskonferenz werden. Die katholische Kirche zeichnete die ARD-Dokumentation "Wie Gott uns schuf- Coming Out in der katholischen Kirche" aus. 100 queere Angestellte der katholischen Kirche wagten darin zur besten Sendezeit ihr Coming Out. Die Auszeichnung durch die Deutsche Bischofskonferenz hätte ein Symbol sein können für einen Aufbruch in ein modernes Zeitalter. Doch es wurde ein Abend, der Zweifel pflegt, wie schnell sich die katholische Kirche bewegt.
Enttäuschung bei Laudatorin
Bei der Begrüßung hätte der Kardinal das Thema "Diskriminierung queerer Menschen in der katholischen Kirche" selbst offensiv ansprechen können. Doch das taten andere. ARD-Moderatorin Anne Will, selbst lesbisch, würdigte die Dokumentation in ihrer Laudatio als wichtigen Film. Doch passiert sei seit der Ausstrahlung wenig. Dass die Kirche jetzt die Doku auszeichne dürfe nicht als Feigenblatt herhalten. Sie wolle, dass die Diskriminierung queerer Menschen in der Kirche aufhöre.
Sie sei zudem enttäuscht, dass die Kirche Mitglieder der Gruppe "Out in Church" nicht zur Preisverleihung eingeladen habe, erklärte Will. Die Gruppe ist ein Zusammenschluss queerer Katholiken und hatte die Dokumentation unterstützt. Bei der Preisverleihung machten sich die Mitglieder bemerkbar, indem sie einen Schirm in Regenbogenfarben öffneten und ein Banner hochhielten, auf dem sie schnelle Änderungen des Arbeitsrechts forderten.
Bischöfe beraten über Arbeitsrecht
Erst jetzt, als die Kirche in der Defensive war, reagierte der Kardinal und bekannte, dass auch er sich wünsche, dass sich beim kirchlichen Arbeitsrecht schnell etwas ändere und er hoffe, dass er das schon in wenigen Wochen verkünden könne. Ende November wollen die Bischöfe über eine neue Dienstordnung beraten. Dann soll Homosexualität und auch eine erneute Heirat Geschiedener kein Kündigungsgrund mehr sein. Doch dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe.
Doch selbst wenn es dazu kommt, ist für Doku-Autor Hajo Seppelt klar: Das reiche nicht. Das dürfe nicht das Ende des Reformprozesses sein. Es sei ein Unding, dass im Jahr 2022 die katholische Kirche noch immer Menschen wegen ihrer sexuellen Neigung benachteilige.