Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung warnte am Freitag: Der von den Krankenkassen berechnete Zusatzbeitrag könnte in vielen Fällen ab Januar 2025 deutlich über dem von der Bundesregierung geplanten durchschnittlichen Satz von 2,5 Prozent liegen.
Bisher lag der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei 1,7 Prozent. Bei einem Einkommen von zum Beispiel 3000 Euro brutto blieben nach der Erhöhung monatlich zwölf Euro weniger netto übrig. Doch Kritiker argumentieren: Der Anstieg der Zusatzbeiträge ließe sich verhindern. Und zwar mit der Abschaffung der privaten Krankenversicherung.
- Was ist der Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung?
- Wie groß ist der Anteil der Privatversicherten in Deutschland?
- Welchen Effekt hätte eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
- Welche Nachteile hätte eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
- Warum haben wir in Deutschland überhaupt zwei unterschiedliche Versicherungssysteme?
- Wie realistisch ist eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
- Wie sieht es im Ausland aus?
Was ist der Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung?
Bei der gesetzlichen Krankenversicherung gilt: Wer viel verdient, zahlt höhere Beiträge als derjenige, der weniger verdient. Im Krankheitsfall bekommen aber alle Versicherten die gleichen Leistungen.
Bei der privaten Krankenversicherung hingegen spielt das Einkommen keine Rolle für die Höhe des Beitrags. Hier zählt nur, wie gesund die Versicherten sind, wenn sie in die private Krankenversicherung eintreten und, welche Leistungen sie haben möchte, wenn sie krank sind.
Wie groß ist der Anteil der Privatversicherten in Deutschland?
In Deutschland ist etwa jeder Zehnte privat versichert, der Rest gesetzlich versichert. "Es gibt ein doppelten Effekt der Selektion, die Einkommensstarken verlassen die gesetzliche Krankenversicherung und die Gesunden", sagt der Gesundheitsökonom Professor Dr. Stefan Greß von der Hochschule Fulda.
Diese Menschen fehlten im System der gesetzlichen Krankenversicherung, so die Kritik. Denn das System der gesetzlichen Krankenversicherung beruhe auf Solidarität. "Wenn ein Teil der Versicherten sich dieser Solidarität entziehen kann, dann wird das System insgesamt geschwächt", so Gesundheitsökonom Stefan Greß.
Welchen Effekt hätte eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
Wenn mehr Menschen mit hohem Einkommen in die gesetzliche Krankenversicherung einzahlen, würden die Beitragseinnahmen steigen. Geht man davon aus, dass diese Menschen auch noch überdurchschnittlich gesund sind, würden zugleich die Pro-Kopf-Ausgaben in der gesetzlichen Versicherung sinken.
Etwa zehn Milliarden Euro ließen sich so sparen, rechnet Stefan Greß vor. Das sei etwa die Summe, die die gesetzlich Versicherten im kommenden Jahr über die Erhöhung des Zusatzbeitrags bezahlen müssen.
Welche Nachteile hätte eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
Die Befürworter der privaten Krankenversicherung argumentieren, dass das gesamte Gesundheitssystem von den Beiträgen der privaten Krankenversicherung profitiert. Denn für Ärztinnen und Ärzte ist die Behandlung von Privatversicherten meist lukrativ, weil sie für die gleiche Behandlung mehr Geld bekommen als wenn sie einen gesetzlich Versicherten behandeln.
"Diese Mehrzahlungen führen dazu, dass Krankenhäuser und Ärzte in Personal und moderne Geräte investieren können und das kommt allen zugute, weil wir in Deutschland zwar zwei Versicherungssysteme haben, aber ein Versorgungssystem", sagt Dominik Heck vom Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV).
Ohne private Krankenversicherung würden dem Gesundheitssystem jedes Jahr mehr als zwölf Milliarden Euro fehlen, argumentiert der PK-Verband. Besonders wichtig seien die Privatversicherten für die Hausärzte auf dem Land, da hier besonders viele alte gesetzlich Versicherte leben, die tendenziell häufiger zum Arzt müssen.
Warum haben wir in Deutschland überhaupt zwei unterschiedliche Versicherungssysteme?
Die Geschichte des dualen Versicherungssystems in Deutschland ist lang. Schon 1883 wurde das Gesetz zur gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet. Damals war die wirtschaftliche Lage schwierig, Betriebe mussten Beschäftige entlassen und es wurde der Ruf laut, dass sich der Staat besser um die Menschen kümmern muss.
Reichskanzler Otto von Bismarck führte deshalb die Krankenversicherung ein. Die galt jedoch nur für eher geringverdienende Angestellte. Besserverdienende, allen voran die Beamten, waren nicht abgesichert. So entstand neben der gesetzlichen Krankenversicherung die private Krankenversicherung.
Wie realistisch ist eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung?
Aktuell ist eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung eher unwahrscheinlich. Die Linksfraktion hat die Abschaffung der privaten Krankenversicherung zwar schon mehrfach im Bundestag beantragt, ist damit bisher aber immer gescheitert.
SPD und Grüne haben sich vor der letzten Bundestagswahl zwar für eine so genannte Bürgerversicherung stark gemacht. Auch sie wollen die private Krankenversicherung aber nicht abschaffen. Im aktuellen Bundestagswahlkampf war ein mögliches Aus für die private Krankenversicherung bisher kein Thema.
Wie sieht es im Ausland aus?
Das System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist europaweit einmalig. Die Niederlande haben die private Krankenversicherung im Jahr 2006 abgeschafft.
Unsere Quellen:
- Interview Dominik Heck
- Interview Prof. Dr. Stefan Greß
- Bundesministerium für Gesundheit
- Verband der Privaten Krankenversicherung e.V.
Über dieses Thema berichten wir im WDR auch am 9.12.2024 im Hörfunk: WDR 5 Wirtschaftsmagazin, ab 13.34 Uhr.