Freihandelsabkommen – Autos versus Bauern

03:22 Min. Verfügbar bis 06.12.2026

Wie das Mercosur-Abkommen Verbraucher in NRW betrifft

Stand: 06.12.2024, 18:33 Uhr

Nach fast 25-jährigen Verhandlungen hat sich die EU mit den Mercosur-Staaten auf ein Abkommen geeinigt. Was wird sich dadurch künftig für Verbraucher in NRW ändern? Und profitiert die deutsche Wirtschaft?

Ungeachtet anhaltender Bedenken von Ländern wie Frankreich, Italien und Polen hat die EU-Kommission die Verhandlungen über eine riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur abgeschlossen. Das teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag nach einer finalen Gesprächsrunde mit Spitzenvertretern aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay mit.

Mercosur-Abkommen muss noch durch die EU-Abstimmung

WDR Studios NRW 06.12.2024 01:01 Min. Verfügbar bis 06.12.2026 WDR Online


"Dieses Abkommen ist ein Gewinn für Europa", sagte von der Leyen in Uruguays Hauptstadt Montevideo. Es werde für Menschen und Unternehmen funktionieren und mehr Arbeitsplätze, mehr Auswahl und Wohlstand schaffen. "Unternehmen profitieren von niedrigeren Zöllen und vereinfachten Verfahren", betonte von der Leyen.

Von steigenden Auto-Exporten bis günstigerem Rumpsteak

Insbesondere die Bundesregierung hatte zuletzt Druck gemacht, die Verhandlungen endlich abzuschließen. Das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten sieht vor, vor allem Zölle abzubauen und den Handel anzukurbeln. So geht unter anderem die deutsche Automobilindustrie davon aus, die Exporte in Richtung Südamerika deutlich steigern zu können.

Für viele Verbraucher in NRW stellt sich derweil die Frage, was das Freihandelsabkommen für sie im Alltag bedeutet - beispielsweise an der Supermarktkasse. Eine Einschätzung gibt WDR-Wirtschaftsexperte Ulrich Ueckerseifer.

WDR: Was ändert sich aus Verbrauchersicht für uns in NRW?

Ulrich Ueckerseifer: Aller Voraussicht nach werden bestimmte Produkte für uns preisgünstiger. Südamerikanische Länder sind im Agrarbereich sehr stark - wie Brasilien beim Zucker und Kaffee oder Argentinien beim Rindfleisch und Wein.

Wo man es im Supermarkt an allererster Stelle merken wird, ist beim Rindfleisch: Die Preisdifferenz zu deutschem oder europäischem Rindfleisch wird sich deutlich reduzieren. Das heißt, dass es beispielsweise ein argentinisches Rumpsteak zu günstigeren Preisen geben wird als bislang.

WDR: Und neben dem Rindfleisch?

Ein Weinglas wird mit Rotwein befüllt - Archivbild

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Ueckerseifer: Das Zweite, wo man es noch merken kann, ist beim Wein. Argentinien produziert guten Wein, vor allem rund um Mendoza. Dort gibt es im Vergleich zu Deutschland ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, also gute Qualität zu überschaubaren Preisen.

WDR: Müssen sich Verbraucher Sorgen wegen möglicherweise schlechterer Lebensmittelstandards machen?

Ueckerseifer: Was die Haltungsbedingungen von Rindern angeht, sind diese in der Regel besser, weil sie den größten Teil ihres Lebens auf der Weide verbringen. Natürlich ist bei südamerikanischen Ländern bei Agrarprodukten häufig Gentechnik im Spiel. Aber qualitativ kann ich kein Problem erkennen.

WDR: Im Gegensatz zu Deutschland steht unter anderem Frankreich dem Abkommen kritisch gegenüber, dort gehen Landwirte auf die Straße. Die Supermarktkette Carrefour kündigte vor wenigen Tagen an, das Fleisch aus Solidarität mit den heimischen Bauern zu boykottieren. Ist so etwas auch bei uns möglich?

Porträt von Ulrich Ueckerseifer, WDR-Wirtschaftsredakteur

Ulrich Ueckerseifer

Ueckerseifer: Das kann man nicht ausschließen, aber dass es so kommt, sehe ich nicht. Deutsche Bauern haben eine sehr starke Lobby, sind aber nicht so militant wie die Belgier und Franzosen. Das ist auch ein Grund, warum die französische Regierung dagegen ist.

Für Deutschland hingegen ist es positiv, weil für uns die Vorteile überwiegen. Wir sind ein Gewinner dieses Abkommens, weil die südamerikanischen Partner ja auch ihre Märkte öffnen - zum Beispiel für den Maschinenbau und die Automobilbranche. Diese haben es viel leichter, dort neue Kunden zu finden. Die Wertschöpfung, die dort entsteht, ist bezogen auf Deutschland viel höher als im Agrarbereich.

WDR: Mit Blick auf die Autoindustrie und den Standort NRW: Inwieweit profitieren diese konkret?

Ueckerseifer: Unter anderem Autozulieferer werden besser ins Geschäft kommen, weil ihre Produkte durch den Abbau von Zöllen günstiger sind. Es ist eine ganz andere Entwicklung als in den USA unter dem baldigen Präsidenten Donald Trump. In Südamerika ist zukünftig der Zoll nicht mehr so hoch.

Für die kriselnde deutsche Automobilbranche ist das eine Chance. Deutsche Unternehmen haben sich lange zurück gelehnt, weil sie günstig nach China exportieren konnten. Jetzt braucht es Alternativen - und Südamerika ist durch das Handelsabkommen geradezu eine Einladung.

Wie fällt also Ihr Fazit des Abkommen aus?

Ueckerseifer: Ich sehe keine relevanten negativen Aspekte, mit Ausnahme der Rinderzucht. Deutschland ist das exportorientierteste Land unter den großen Nationen auf der Welt. So ein Abkommen ist für uns Gold wert. Deutschland ist einer der Gewinner dieses Abkommens.

Interview mit Ulrich Ueckerseifer zum Mercosur-Abkommen

WDR Studios NRW 06.12.2024 03:13 Min. Verfügbar bis 06.12.2026 WDR Online


Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Artikel der Tagesschau
  • Interview mit WDR-Wirtschaftsexperte Ulrich Ueckerseifer

Über dieses Thema berichten wir am 06.12.2024 auch im WDR-Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.