Seit dem 1. April gilt die Teil-Legalisierung von Cannabis. Demnach soll der Besitz kleinerer Mengen der Droge nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Sogenannte "Cannabis-Clubs" wollten starten - zumindest mit den Anträgen.
Doch knapp vier Monate nach Freigabe des Cannabis-Konsums ist das Interesse an Anbauvereinen verhalten. Nach einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) liegt die Zahl der Anträge in den Bundesländern meist im einstelligen Bereich.
37 Anträge aus NRW, Berliner Ergebnisse stehen aus
Fast alle Länder meldeten, sie hätten vorliegende Anträge bislang weder genehmigt noch abgelehnt - bis auf Niedersachsen, wo die Landwirtschaftskammer sieben Anträgen stattgab und fünf abschlägig beschied. Genehmigungen sollen in der Regel innerhalb von drei Monaten erteilt werden.
In Nordrhein-Westfalen wurden bislang 37 Anträge gestellt. Fast gleich viele, nämlich 35 Anträge zählt Baden-Württemberg. In Sachsen-Anhalt waren es drei, Schleswig-Holstein und Thüringen mit je vier, Brandenburg mit fünf, Hamburg und Hessen mit sieben. Keinen einzigen Antrag verzeichnete das Saarland. Berlin konnte keine Auskunft über die Zahl der Anträge geben. Bayern, das angekündigt hatte, die Clubs besonders streng zu überprüfen, meldete 14.
Ordnungsämter sollen Teil-Legalisierung überwachen
Hanfsämlinge zum Verkauf auf der Berliner Cannabis-Messe "Mary Jane"
Zwar wurde Cannabis in Teilen legalisiert, das entsprechende Gesetz zieht aber auch Grenzen: So darf zum Beispiel nicht auf Spielplätzen oder rund um Schulen und Kindergärten gekifft werden. Darüber sollen die Ordnungsämter der Kommunen wachen, wie die Landesregierung per Verordnung festlegte.
In der Verordnung wird vom Land ein finanzieller "Belastungsausgleich" für die Kommunen in Aussicht gestellt, falls die Cannabis-Kontrollen zusätzliche Kosten verursachen sollten. Das Gesundheitsministerium werde "in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden zum 31. Dezember 2027 und danach alle fünf Jahre die durch diese Verordnung entstehenden Be- und Entlastungen bei den betroffenen Gemeinden einschließlich der Anpassung eines etwaigen Belastungsausgleichs" prüfen, so die Verordnung.
Mehr Aufwand für die Ordnungsbehörden
Damit rennt das Land bei den Kommunen offene Türen ein. So sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christof Sommer, der dpa: "Das Land hat die Kontrollen nun klar den Gemeinden zugewiesen. Damit dürfte auf die Ordnungsbehörden mehr Aufwand zukommen, den das Land gegenfinanzieren muss. Das fängt an bei der Feingrammwaage und reicht bis zum Personal."
Lückenlose Kontrollen werde es nicht geben, so Sommer: "Mit dem Cannabisgesetz betreten wir Neuland. In der Praxis vor Ort wird es wie bei einem allgemeinen Rauchverbot oder bei den Corona-Regeln auf Stichproben hinauslaufen."
Was genau erlaubt das Gesetz?
Das Gesetz sieht keine komplette, sondern eine kontrollierte Freigabe der Droge vor. Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum ist Volljährigen im öffentlichen Raum erlaubt. In der eigenen Wohnung können Konsumenten außerdem bis zu drei Cannabispflanzen kultivieren und bis zu 50 Gramm für den Eigenbedarf aufbewahren.
Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden - etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Was bleibt verboten?
Für Minderjährige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten. Weitergaben an Kinder und Jugendliche sind strafbar. Der Konsum "in unmittelbarer Gegenwart" von unter 18-Jährigen ist verboten, ebenso in Fußgängerzonen von 7 bis 20 Uhr. Untersagt wird Kiffen auch auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon.
Manche NRW-Kleingärtner machen sich Sorgen, der Hanfanbau könne nun auch auf ihren Anlagen populär werden. Doch der Schrebergarten ist formal keine Wohnung. Das Bundeskleingartengesetz besagt, dass man dort nicht wohnen darf, und der legale Anbau bleibt somit verboten.
Wann können die "Cannabis-Clubs" starten?
In absehbarer Zeit. Seit dem 1. Juli nämlich können Menschen, die in "Cannabis-Clubs" gemeinschaftlich Marihuana produzieren wollen, eine entsprechende Lizenz beantragen. Sobald diese gewährt wurde, dürfen sie mit dem Anbau beginnen. Der Cannabis-Konsum direkt vor Ort ist tabu.
Bei den Anträgen sei mit drei Monaten Bearbeitungszeit zu rechnen, heißt es aus mehreren Ländern. Die amtliche Erlaubnis gilt befristet für sieben Jahre. Nach fünf Jahren kann sie verlängert werden.
Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) sprach von "hohem Interesse" bei Clubs, die in Gründung seien und sich vorbereiteten. Es könnte mindestens eine hohe dreistellige Zahl an Vereinen entstehen.
In den nicht-kommerziellen "Anbauvereinigungen" können bis zu 500 Mitglieder mit Wohnsitz im Inland Cannabis anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben: An einem Tag höchstens 25 Gramm Cannabis je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein - das ist der Stoff mit der Rauschwirkung.
Darf man nach dem Kiffen Autofahren?
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte sich im Vorfeld der Cannabis-Teil-Legalisierung in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gegen einen 0,0-Grenzwert für THC im Straßenverkehr ausgesprochen. Die Expertenkommission werde im Frühjahr einen Grenzwert festlegen. Dass dieser bei 0,0 liegen werde, sei "unwahrscheinlich".
Bis dahin gilt: Ordnungswidrig handelt, wer unter Wirkung berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug führt, zu denen Cannabis gehört. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn die Substanz im Blut nachgewiesen werden kann. In der Rechtsprechung hat sich ein Wert von 1 Nanogramm THC pro 100 Milliliter Blut etabliert - danach drohen laut Verkehrsministerium Strafen von bis zu 3.000 Euro Buße, bis zu drei Monate Fahrverbot und zwei Punkte in der Flensburger Datei. Ausgenommen ist ärztlich verschriebenes Cannabis als Arzneimittel.
Die Teil-Legalisierung hat auch viele Kritiker
Gleichzeitig mit der Legalisierung geht auch eine Amnestie für all jene Konsumenten einher, die wegen Besitzes oder Anbaus kleinerer Mengen Cannabis derzeit noch strafrechtlich verfolgt werden. "Wir haben sehr viele Menschen, die verurteilt worden sind nicht nur wegen Cannabis-Konsums, sondern auch wegen mehrerer anderer Delikte, und bei diesen Fällen muss das Gericht nach Inkrafttreten des Gesetzes prüfen, ob die Gesamtstrafe anzupassen ist wegen des Teils, der jetzt straffrei ist", sagt NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne).
Allein in Nordrhein-Westfalen rechnet das Justizministerium mit etwa 60.000 Verfahren, die auf den Prüfstand müssen - bundesweit sind es wohl 200.000.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lehnt die Legalisierung von Cannabis grundsätzlich ab. Das Risiko von Hirnschädigungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen durch die Droge sei belegt.
Unsere Quellen:
- Deutsche Presse-Agentur (dpa)
- Evangelischer Pressedienst (epd)
- Agence France Presse (afp)