Georgia Ball ist Golftrainerin in England. Auf den sozialen Netzwerken Instagram und TikTok folgen der 26-Jährigen mehr als 450.000 Menschen. Zehntausende schauen ihr dort zu, wenn sie erklärt, wie Golfer und Golferinnen ihren Schwung verbessern können, erfolgreicher auf dem Grün werden oder den kleinen weißen Ball gekonnt aus einem Sandbunker schlagen.
Männliche Tipps aus dem Off
Derzeit geht einer ihrer Clips viral. Darin sieht man Ball beim Training auf der Driving Range. Mehr als elf Millionen Menschen haben sich das Video auf TikTok angeschaut. Wie in zahlreichen anderen Post sieht man die Trainerin beim Abschlagstraining. Das Besondere an diesem ist, dass man plötzlich die Stimme eines Mannes aus dem Off hören kann, der Georgia Ball ungefragt Tipps für ihren Abschlag gibt.
Mal abgesehen davon, dass der Unbekannte die Golftrainierin mitten im Training unterbricht, lässt er sie weder ausreden noch hört er ihr zu. Sie hole zu langsam aus, erklärt er ihr. Als Ball daraufhin erwidert, dass sie gerade ihren Schwung beim Abschlag umstelle und deshalb die Bewegung langsamer ausführe, unterbricht er sie und erklärt, dass er bereits seit 20 Jahren golfe.
Soziologin: "Typischer Fall von Mansplaining"
"Die bevormundende und herablassende Art wie er das tut, ist ein Paradebeispiel für Mansplaining", sagt Katja Sabisch, die die Professur für Gender Studies an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) inne hat. Der Kunstbegriff setzt sich aus den beiden englischen Wörter "man", also "Mann" und "explaining" also "erklären" zusammen.
Das Phänomen an sich ist nicht neu. Seit einigen Jahren bekommt es aber vor allem durch die sozialen Netzwerke immer mehr Aufmerksamkeit. Einerseits dadurch, dass Frauen wie Georgia Ball solche Erlebnisse hier teilen. Andererseits dadurch, dass gerade der mehr oder weniger anonyme Raum im Netz von einigen Männern genutzt wird, um Frauen zu belehren - selbst wenn deren Expertise um ein Vielfaches größer ist.
Mansplaining als strukturelles Problem
So reagierte beispielsweise ein Mann im September 2016 auf einen Tweet (heute X) der Nasa-Astronautin Jessica Meir über das Verhalten von Wasser im Weltraum damit, dass er sie korrigierte.
Bei dem Phänomen spielen laut Sabisch diverse Faktoren eine Rolle. "Am meisten Einfluss haben dabei die Geschlechtsstereotypen, die über Jahrhunderte gefestigt wurden", sagt sie. "Es ist nicht so lange her, dass Frauen in Deutschland ihre Ehemänner fragen mussten, ob sie arbeiten gehen dürfen." Dazu komme dass gerade in Wirtschaftsunternehmen bis heute vor allem Männer in den Chefetagen vertreten seien.
Selbstbewusst trotz Halbwissen
Durch diese Strukturen, in denen Männer quasi alles in der Hand hatten oder haben, sei der Eindruck entstanden, dass sie den Frauen auch in vielem überlegen seien. "Und das haben bis heute einige Männer noch immer stark verinnerlicht", sagt Sabisch. Das führe dazu, dass es immer wieder Fälle gebe, in denen gerade ältere Männer jüngere Frauen belehrten.
Neben den Aspekten Geschlecht und Alter ist laut Sabisch auch die Fähigkeit der Reflexion ein weiterer Einflussfaktor für Mansplaining. So beschreibt etwa der Dunning-Kruger-Effekt die kognitive Verzerrung bei inkompetenten Menschen, ihre eigenen Fähigkeiten und ihr Wissen zu überschätzen. Wenn andere etwas viel besser als sie können, sehen sie das aber auch nicht. "Gerade bei Männern beobachten wir häufiger einen sehr selbstbewussten Umgang mit Halbwissen", sagt Sabisch. "Während Frauen da eher vorsichtiger sind."
Mehr nach Gemeinsamkeiten suchen
Das alles führe immer wieder dazu, dass es zu solchen unangenehmen Situationen komme. Um das zu ändern sei es wichtig, die Geschlechterstereotypen aufzubrechen. Neben Reformen und Gesetzen, die unter anderem für Gehaltsgerechtigkeit sorgten und Gewalt gegen Frauen unterbinden, sei vor allem wichtig, "das Geschlecht im alltäglichen Umgang nicht mehr so sehr zu dramatisieren", sagt Sabisch.
"Frauen werden oft nur auf ihr Geschlecht begrenzt", so die Professorin. Aus Sicht der Männer ginge es oft weniger darum, was Frauen wissen oder können, sondern nur darum, dass sie Frauen seien. "Es geht nur darum, was sie von Männern unterscheidet", sagt Sabisch. "Dabei wäre es viel sinnvoller mehr nach Gemeinsamkeiten zu suchen."
Unsere Quellen:
- TikTok
- Interview mit Prof. Dr. Katja Sabisch von der RUB
- "Well, actually" - Beitrag über Mansplaining in der Harvard University Press, 11. November 2022
Über dieses Thema berichtet der WDR am 26. Februar 2024 auch Im TV in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.