"In Europa gelten unsere Regeln": NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) im Gespräch mit WDR-Hauptstadtkorrespondent Philipp Menn über Plattformregulierungen
12:27 Min.. Verfügbar bis 11.04.2027.
NRW-Medienminister: "In Europa gelten unsere Regeln"
Stand: 14.04.2025, 05:50 Uhr
Das europäische Verständnis von Freiheit müsse auch im digitalen Raum durchgesetzt werden, betont NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) im Gespräch mit WDR-Hauptstadtkorrespondent Philipp Menn.
WDR: Fake-News und Desinformationen vergiften den öffentlichen Diskurs, weil es plötzlich mehrere Ansichten einer Wirklichkeit zu geben scheint. Wie gefährlich sind solche Entwicklungen?
Nathanael Liminski: Eine Demokratie braucht die Verständigung darauf, dass es Fakten gibt. Und sie braucht Meinungsfreiheit. Und sie braucht Medienvielfalt. Und das muss erst einmal gesichert werden. Und zwar sowohl im Bereich der klassischen Medien, aber natürlich auch heutzutage im Bereich der sozialen Netzwerke, der Online-Plattformen. Und deshalb ist es wichtig, dass wir die Regeln, die wir im analogen Bereich haben, die sich dort bewährt haben über Jahre und Jahrzehnte, auch in den digitalen Raum übersetzen und sie dort auch durchsetzen.
WDR: Früher hat man dann mit den Herausgebern der Zeitung gesprochen oder mit den Intendanten beim Rundfunk. Heute müsste man mit Mark Zuckerberg sprechen oder mit Elon Musk. Wo sind da ganz konkret für Sie als Politiker die Schwierigkeiten?
Liminski: Es ist natürlich so, dass die sozialen Plattformen lange Zeit für Infrastruktur gehalten worden sind, die angeblich neutral sind. Und heute wissen wir: Es ist natürlich auch immer ein Raum, in dem Inhalte strukturiert werden, aufbereitet werden, in dem entschieden wird, welche Inhalte bekomme ich zu sehen, welche nicht. Und dementsprechend ist es wichtig, dass auch in diesem Raum Regeln gelten. Und wir müssen in Europa das Selbstbewusstsein haben, dass wir hier die Regeln definieren, nach denen öffentliche Debatte verläuft.
Demokratie braucht Meinungsfreiheit, aber in Europa ist unser Verständnis von Freiheit nicht, dass alles erlaubt ist, sondern dass Freiheit auch Grenzen hat, nämlich da, wo zu Straftaten aufgerufen wird, wo Antisemitismus verbreitet wird, wo absichtlich falsche Tatsachenbehauptungen gemacht werden. All das ist nicht erlaubt und dementsprechend müssen wir an der Stelle auch durchgreifen.
WDR: Es gibt ja europäische Regeln dazu, die zum Beispiel vorsehen, dass die Plattformen selber auch mit dafür verantwortlich sind, dass zum Beispiel strafbare Inhalte aus dem Netz zu entfernen sind. Haben Sie das Gefühl, dass das gut ist?
Liminski: Wir erleben, dass die Plattformen ihre ehemals eingegangenen Selbstverpflichtungen dezidiert zurücknehmen - nicht nur nicht einhalten, sondern dezidiert zurücknehmen. Und dementsprechend ist es notwendig, dass wir diese Regeln selber von Staats wegen durchsetzen. Und insofern kommen wir an der Stelle jetzt an einen Punkt, wo es darum geht, nicht nur transparente Regeln aufzustellen, sondern diese auch wirksam durchzusetzen. Und da sind wir als Länder für zuständig.
Und das ist der Grund, warum wir unsere Behörden in die Lage versetzen müssen, das auch tatsächlich tun zu können. Oder um es in einem Bild zu sagen: Wenn Terrorunterstützer und Radikale im Porsche unterwegs sind, dann dürfen Behörden nicht im Polo hinterherfahren. Und insofern müssen wir auch neue Technologien wie die der Künstlichen Intelligenz dafür einsetzen, tatsächlich darauf zu achten, dass die wenigen Regeln, die wir uns im Bereich Medien und im Bereich Online-Plattformen geben, auch tatsächlich eingehalten werden.
"Wenn Terrorunterstützer und Radikale im Porsche unterwegs sind, dann dürfen Behörden nicht im Polo hinterherfahren." NRW-Medienminister Liminski
WDR: Wie konkret läuft das? Also so eine Landesmedienanstalt hat ein Team von Leuten, die gucken sich quasi die Inhalte an. Aber kommen die da überhaupt hinterher?
Liminski: Wenn Sie sich anschauen, wie die Regeln des Digital Services Act durchgesetzt werden, dann kann sich die Bilanz unserer Landesmedienanstalt in Deutschland durchaus sehen lassen. Denn wenn es um die Bekämpfung von Antisemitismus, von Hass und Hetze im Netz geht, dann kommen die wesentlichen Hinweise dazu in Europa von den deutschen Landesmedienanstalten.
Das liegt daran, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine Künstliche Intelligenz-Software "KIVI" entwickelt haben, mit der wir deutlich stärker, deutlich mehr Plattformen auf strafbare Inhalte hin durchsuchen können. Diese dann auch in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden zur Anzeige bringen und denen, die das Nest verschmutzen, auch tatsächlich auf die Füße treten. Und diese Technologie ist so erfolgreich, dass auch andere Länder sie kopiert haben und auch europäische Nachbarn sie auch einsetzen wollen.
WDR: Wenn die "KIVI"-Software auf einen Straftatbestand stößt, wird das an das BKA gemeldet und den Ermittlern zwei Wochen Zeit gegeben. In der Zeit ist der Inhalt trotzdem noch weiter sichtbar. Gibt es da Verbesserungsmöglichkeiten aus Ihrer Sicht?
Liminski: Natürlich ginge immer mehr, angesichts der Vielzahl von Grenzübertritten, die es in diesem Raum gibt. Aber ich glaube, wichtig ist, dass wir uns selber ernst nehmen, dass wir die Regeln, die wir uns gegeben haben, auch tatsächlich nennenswert vollziehen. Und das ist der Grund, warum wir in Nordrhein-Westfalen dem Grundsatz folgen "verfolgen statt nur löschen". Also, dass wir nicht nur die Inhalte aus dem Netz entfernen, sondern auch denen auf die Füße treten, die sie dort eingestellt haben.
Und das Zweite ist, dass wir das natürlich auch in den Sprachen tun, in denen das stattfindet. Es wird ja nicht nur Deutsch gesprochen im Netz, sondern genauso Englisch oder Arabisch. Und dementsprechend trainieren wir die Künstliche Intelligenz nun auch auf diese Sprachen hin, um diesem massenhaften Phänomen auch entsprechend kraftvoll zu begegnen.
Inhaltsverzeichnis
- Ausgewählter Teil: Teil 1/2 - NRW-Medienminister: "In Europa gelten unsere Regeln"
- Teil 2/2 - "Russland ist bereits im Krieg mit uns"