Die Legalisierung von Cannabis seit Anfang April hatte schon für viel Aufregung gesorgt, die Diskussionen darüber sind noch in vollem Gange - da legt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mit dem nächsten Aufreger nach: Polizistinnen und Polizisten werde er den Konsum von Cannabis ganz verbieten. Das sagte Reul in einem Interview, das die "Westfälischen Nachrichten" am Mittwoch veröffentlichten.
Um rechtlich "auf Nummer sicher zu sein", werde er ein Cannabis-Verbot erlassen müssen, sagt Reul.
Schwer einzuordnen: Rausch oder Restwirkung?
Die Probleme beginnen schon bei der Feststellung der Blutbelastung mit dem Cannabis-Wirkstoff. Mal ganz abgesehen davon, dass beim Thema Legalisierung jetzt ohnehin die Frage im Raum steht, wie belastbar der bislang festgelegte Grenzwert von einem Nanogramm THC im Blut überhaupt ist. Denn nachweisbar ist THC im Körper noch lange, nachdem der eigentliche Rausch schon verflogen ist. Hinzu kommt, dass der Körper den Stoff bei regelmäßigem Kiffen länger speichert als bei seltenem Konsum.
Polizeigewerkschaft: Zweifel an Umsetzbarkeit
Ein generelles Cannabis-Verbot aber für Polizisten, nachdem gerade das Kiffen zumindest in Maßen legalisiert wurde - für Michael Mertens, NRW-Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), stellen sich da viele Fragen. Einerseits sei klar: Wer bekifft oder auch betrunken zum Polizeidienst erscheint, müsse mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen rechnen - "da gibt es natürlich gar keine Diskussion".
Ob aber der Dienstherr der Polizei - also der Innenminister - so weit ins Privatleben der Kolleginnen und Kollegen eingreifen kann, dass er selbst den Joint im Urlaub verbietet, bezweifelt Mertens erheblich: "Dann müsste es auch ein generelles Alkoholverbot für die Polizei geben." Und ob Reul es schaffe, ein Cannabisverbot durch alle erforderlichen Gremien zu bringen – "auch da habe ich meine Zweifel", sagt der GdP-Landesvorsitzende. "Denn eine Legalisierung, wie sie jetzt erfolgt ist, muss auch für Polizistinnen und Polizisten gelten."
Innenministerium: Noch keine Klarheit
Tatsächlich herrscht offenbar auch im NRW-Innenministerium noch Unklarheit darüber, wie genau Reuls Ankündigung umgesetzt werden kann. Das müsse nun geprüft werden, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch auf Nachfrage. Auch, wie weit eine solche Regelung wirklich ins Privatleben reichen könne und welche Bereiche der Polizei letztlich betroffen wären.
Bundeswehr: "Schlagkraft der Truppe gefährdet"
Vorbild könnte die Regelung für die Bundeswehr sein. "In militärischen Bereichen der Bundeswehr ist der Konsum von Cannabis verboten", heißt es klar im neuen Cannabis-Gesetz. Auch der Besitz und Anbau ist hier verboten. Doch man sei insgesamt noch vorsichtiger, erklärt eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums: Anders als beim Alkohol, wo der Abbauprozess "klarer greifbar" sei, ist die Wirkzeit von Cannabis beim Menschen individuell sehr unterschiedlich.
Der Konsum von Cannabis könne so "mit der Dienstausübung Gefahren für Leib und Leben von Bundeswehrangehörigen" hervorrufen, aber auch für die öffentliche Sicherheit und letztlich die Schlagkraft der Truppe und ihre Einsatzbereitschaft, so die Sprecherin.
Daher gelten Beschränkungen beim Konsum von Cannabis für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr trotz Legalisierung weiter - auch außerhalb des Dienstes und außerhalb militärischer Bereiche. Das bedeute, dass "auch der private Konsum ein Dienstvergehen darstellen kann". Es sei also "möglich", dass die Bundeswehr ihre Mitarbeiter auch außerhalb der Dienstzeiten zur Cannabis-Enthaltsamkeit verpflichte.
Richtig festlegen kann man sich offenbar auch bei der Bundeswehr nicht - zu komplex ist das Thema. Zurzeit sei man jedenfalls dabei, den "Anpassungsbedarf einzelner Regeln und Vorgaben" zu prüfen.
Was ist mit Restalkohol im Blut?
Fraglich ist auch, wo der Unterschied zwischen den Auswirkungen von Cannabis-Konsum und denen von Alkohol liegt. Denn ob ein Polizeibeamter mit Schusswaffe am Montagmorgen vielleicht noch Restalkohol von der Party am Abend zuvor im Blut hat, ist bislang auch nicht kontrollierbar.
Alkoholisiert oder bekifft zur Arbeit zu erscheinen, dürfte nicht nur bei der Polizei für Probleme sorgen. Zwar gibt es kein Gesetz, das zumindest Alkohol am Arbeitsplatz grundsätzlich verbietet, dennoch ist es in den allermeisten Berufen sehr wahrscheinlich, dass man am Arbeitsplatz weder trinken noch kiffen darf. Viele Arbeitgeber legen das in ihren Arbeitsverträgen fest.
In vielen Berufsgruppen ist es aber durchaus akzeptiert, während der Mittagspause ein Bier zu trinken oder mit einem Glas Sekt auf einen Geburtstag anzustoßen. Es sei denn, der jeweilige Arbeitgeber macht in seinem Arbeitsvertrag 0,0 Promille während der gesamten Arbeitszeit zur Bedingung.
Null Drogen-Toleranz bei einigen Berufen
Für bestimmte Berufsgruppen gibt es allerdings strikte Alkoholverbote, die gesetzlich festgelegt sind: Piloten, Busfahrer, Taxifahrer oder Chirurgen beispielsweise. Dasselbe gilt für Personen, die Gefahrgut transportieren.
Die Gesetze dazu sind teils so formuliert, dass sie auch für den Cannabiskonsum gelten könnten - und auch zumindest ein bisschen in die Zeit vor Dienstantritt hereinreichen. So regelt zum Beispiel die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr, dass es Busfahrern untersagt ist, während des Dienstes "alkoholische Getränke oder andere die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel zu sich zu nehmen oder die Fahrt anzutreten, obwohl er unter der Wirkung solcher Getränke oder Mittel steht".
Auch in der deutschen Luftverkehrs-Ordnung heißt es gleich unter Paragraf 1: "Wer infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel in der Wahrnehmung der Aufgaben als Führer eines Luftfahrzeugs oder sonst als Mitglied der Besatzung behindert ist, darf kein Luftfahrzeug führen und nicht als anderes Besatzungsmitglied tätig sein."
Da Alkohol und Cannabis sich in ihrer Wirkung aber deutlich unterscheiden, wird es nicht einfacher, in der Zukunft Regelungen für den richtigen Umgang mit ihnen zu finden.
Quellen:
- Innenministerium NRW
- Bundesverteidigungsministerium
- Gewerkschaft der Polizei
- Bundesgesetze
- Luftverkehrs-Ordnung
- DPA