OVG-Besetzung: Bewerberin erhebt schwere Vorwürfe und gerät unter Druck

Stand: 21.01.2025, 18:59 Uhr

Erstmals hat sich die zunächst erfolgreiche Kandidatin öffentlich zum Verfahren geäußert. Mit überraschenden Antworten.

Von Sabine Tenta

Nachdem am Dienstag die Presse ihre Bild- und Tonaufnahmen vor der Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses "OVG-Besetzung" eingestellt hat, betritt die Zeugin den Raum. Bilder von ihr sind nicht erlaubt.

"Mein Name ist Katharina Jestaedt, ich bin 55 Jahre alt, mein Beruf ist Beamtin." Das war der Auftakt zu einer rund dreistündigen Befragung durch die Abgeordneten. Drei Stunden, die den weiteren Verlauf des Ausschusses, so viel lässt sich wohl sagen, weiter bestimmen werden. Die Beamtin Jestaedt ist Juristin und Abteilungsleiterin im Innenministerium. Im inzwischen gestoppten Besetzungsverfahren für die Leitung des OVG hatte sie zunächst den Zuschlag der Landesregierung erhalten. Das Verfahren wurde inzwischen neu aufgerollt.

Selbstbewusstes Eingangsstatement

Die Zeugin machte von ihrem Recht Gebrauch, vor der Befragung ein Statement abzugeben. Mit klarer, fester Stimme las sie eine mehrseitige Erklärung vor. Aus Respekt vor dem hohen Amt habe sie sich bislang nicht öffentlich geäußert, das sei ihr nicht immer leicht gefallen.

Sie machte klar, dass sie die Berichterstattung mitunter "ehrenrührig" fand. Zu der vielfach verwendeten Zuschreibung, sie sei eine "Duz-Freundin" von Justizminister Limbach, sagte sie: "Ich bin niemandes Duz-Freundin und Favoritin, das sind Begrifflichkeiten aus einer fernen paternalistischen Zeit." Im Übrigen duze auch der Bewerber Carsten Günther den Minister. Limbach, Jestaedt und Günther kennen sich seit 1999, sie alle duzten sich untereinander.

Schwere Vorwürfe gegen Mitbewerber

Das OVG Münster | Bildquelle: dpa/ picture-alliance

Im Verlauf der Befragung durch die Abgeordneten erhob Jestaedt dann schwere Vorwürfe gegen den unterlegenen Bewerber um das OVG-Spitzenamt, Carsten Günther. Er hatte sich juristisch gegen das Besetzungsverfahren zur Wehr gesetzt. Günther habe sich kurz nach der Landtagswahl im Mai 2022 mit einer Bitte an sie gewandt.

Es ging um die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grünen. In einer Verhandlungsgruppe waren sowohl Innenminister Herbert Reul, also der Vorgesetzte von Jestaedt, als auch der damalige Justizminister Peter Biesenbach. Jestaedt sagte, sie sei von Günther gebeten worden, ihren Einfluss auf Reul geltend zu machen und darauf hinzuwirken, dass die OVG-Besetzung in den Koalitionsverhandlungen angesprochen wird. "Das habe ich mit Befremden wahrgenommen", sagte Jestaedt, natürlich habe sie Reul nicht angesprochen.

Der WDR konfrontierte Carsten Günther mit den Vorwürfen. Dieser erklärte: "Da ich selber in zwei Wochen als Zeuge vernommen werde, möchte ich mich zu dem Verfahren im Untersuchungsausschuss nicht äußern."

Welche Rolle spielte Jestaedt bei dem Verfahren vor dem OVG?

Nadja Lüders, SPD-Obfrau im Untersuchungsausschuss, hatte viele Fragen an die Zeugin. Sie hegt den Verdacht, dass Jestaedt in unzulässiger Weise dem Justizministerium beim Verfahren gegen den unterlegenen Mitbewerber Günther zugearbeitet hat. Insgesamt zehn Dokumente, die einen intensiven Austausch zwischen Jestaedt und dem Justizministerium belegen, wurden der Zeugin während der Befragung vorgelegt. Sie stammen aus dem Zeitraum von Juni bis Oktober 2023 sowie aus dem März 2024.

So hatte beispielsweise im September 2023 eine Mitarbeiterin des Ministeriums bei Jestaedt nachgefragt, ob ihre berufliche Tätigkeit bei der Deutschen Bischofskonferenz als Verwaltungserfahrung gelten könne. Dies sei von Carsten Günther im Gerichtsverfahren gerügt worden. Aus ihrem Urlaub heraus antwortet Jestaedt bereits wenige Stunden später mit Argumenten für das Ministerium.

"Ich finde die Unterstellung echt absurd"

Den Verdacht von Lüders weist Jestaedt in der Befragung wiederholt und vehement zurück. Sie habe das Justizministerium im Fall von Carsten Günther "natürlich nicht" beraten. "Ich habe Sachverhaltsfragen geklärt, aber nicht an Schriftsatzentwürfen mitgearbeitet." Als Lüders nicht locker lässt, sagt Jestaedt sichtlich genervt: "Ich finde die Unterstellung echt absurd!"

Lüders: "Ghostwriting und gemeinsame Sache"?

Nach der Ausschuss-Sitzung fasste Lüders ihren Verdacht zusammen: Der "intensive Austausch zum Gerichtsverfahren" zwischen Jestaedt und dem Ministerium sei "umso verwunderlicher, als das Justizministerium im Zuge dieses Verfahrens an die Zeugin mehrfach Nachfragen zu ihrer Personalie hatte, und zwar erst, nachdem es seine Besetzungsentscheidung längst getroffen hatte". Das werfe einmal mehr die Frage auf, "ob es bei der Besetzung mit rechten Dingen zugegangen ist oder ob es hier möglicherweise einen manipulativen Eingriff gegeben hat". Und schließlich fragt Lüders: "Hat es hier etwa Ghostwriting und gemeinsame Sache gegeben? Das wird noch zu untersuchen sein."

Ganz anders war die Wahrnehmung der regierungstragenden Fraktionen CDU und Grüne. Sie erklärten nach der Sitzung, die Zeugin habe die Vorwürfe der Opposition widerlegt.

Unsere Quelle:

  • Sitzung des PUA am 21.01.2025

U-Ausschuss: Ex-Favoritin für OVG-Chefposten befragt WDR 5 Westblick - aktuell 21.01.2025 05:30 Min. Verfügbar bis 21.01.2026 WDR 5

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