Bundesverfassungsgericht: NRW-Polizeigesetz zum Teil verfassungswidrig
00:28 Min.. Verfügbar bis 03.01.2027.
Bundesverfassungsgericht: NRW-Polizeigesetz zum Teil verfassungswidrig
Stand: 03.01.2025, 16:02 Uhr
Das NRW-Polizeigesetz ist in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Bestimmte Überwachungsmaßnahmen dürfen nicht mehr regulär angewandt werden.
Von Nina Magoley
Teile des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes sind offenbar nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt und am Freitag verkündet. Das Land muss demnach bis zum 31. Dezember 2025 für eine Neuregelung sorgen. Bis dahin dürfen die Polizeibehörden die fraglichen Maßnahmen nur bei einer konkreten Gefahr einsetzen.
Auf WDR-Nachfrage erklärte das Innenministerium am Freitag, die Landesregierung werde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts "genau prüfen" und dem Landtag einen Vorschlag zur Anpassung unterbreiten. Innerhalb der gesetzten Frist könne der Landtag das NRW Polizeigesetz an die geforderten Gesetzesformulierungen "anpassen".
Freundin wollte nicht heimlich fotgrafiert werden
Geklagt hatte die Freundin eines bekannten Rechtsextremisten, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 2015 von der Polizei verdeckt über einen längeren Zeitraum observiert worden war. Dabei wurden Bildaufnahmen und Aufzeichnungen gemacht. Die Klägerin hatte sich dagegen gewehrt, dass auch sie selber auf solchen Fotos zu sehen war.
Die Ermittler wollten mit der Observation ein Abtauchen des Rechtsextremisten verhindern. Der Mann galt als Gefährder und sollte ab Mitte 2015 mit Entlassung aus dem Gefängnis beobachtet werden. Dazu zählte auf Antrag auch sein Umfeld.
Gericht: Schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Observation des Umfelds nicht erlaubt
Nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts ist eine längerfristige Observation mit Bildaufnahmen unbeteiligter Dritter ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. In dem Beschluss heißt es: "Insbesondere wenn diese Maßnahmen gebündelt durchgeführt werden und dabei unter Nutzung moderner Technik darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen." Mit dem Grundgesetz sei das nicht vereinbar.
Laut Bundesverfassungsgericht muss für eine heimliche Observation "entweder eine konkrete oder zumindest eine konkretisierte Gefahr" nachzuweisen sein. Bei den Regelungen im Polizeigesetz, die jetzt vor Gericht untersucht wurden, reicht aber schon die Annahme aus, dass die zu beobachtenden Personen bestimmte Straftaten "begehen wollen".
So entscheide die Polizei ohne nähere gesetzliche Vorgabe über die Grenzen der Freiheit der Bürger, befanden die Karlsruher Richter. Es sei aber die Aufgabe des Gesetzgebers, eingriffsbeschränkende Maßstäbe zu schaffen. Das Land könne hier nachbessern, heißt es in dem gerichtlichen Beschluss vom 14. November.
Langer Weg durch die Instanzen
Die Klägerin war zunächst vor das Verwaltungsgericht gezogen und Ende 2019 vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster in der zweiten Instanz teilweise auch erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte den Fall zur Klärung dann dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorgelegt.
FDP nennt Gesetzpassage "sträflich"
Innenminister Herbert Reul (CDU) müsse nun "gemeinsam mit den Grünen schnellstmöglich das Polizeigesetz nachbessern und für eine verfassungskonforme Regelung in NRW sorgen", erklärte der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Marc Lürbke. "Alles andere wäre sträflich, sowohl für den Schutz der Grundrechte als auch für die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats."
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Gregor Golland, sagte dem WDR: Es sei schließlich nur "ein ganz kleiner Teil des erfolgreichen Polizeigesetzes", der nachgebessert werden müsse. "Dafür haben wir jetzt ein Jahr Zeit, das eröffnet uns die Chance, noch in anderen Bereichen nachschärfen."
CDU: "Gerichte machen keine Gesetze"
Gerichte, fügt Golland hinzu, hätten keine gesetzgebende, sondern lediglich kontrollierende Funktion. Es sei umgekehrt: "Die Politik macht die Vorgaben, die Gerichte kontrollieren sie."
Allerdings konnten CDU und FDP in der Vergangenheit offenbar gut mit diesem Polizeigesetz leben: Die vom BVG als verfassungswidrig erklärten Zeilen unter Paragraf 16 und 17 sind schon sehr alt. Bereits in der Version von 2005, als CDU und FDP eine Regierungskoalition in NRW eingingen, war der Wortlaut identisch.
Quellen:
- Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 03.01.2025
- Deutsche Presseagentur
- Gesellschaft für Freiheitsrechte
- Polizeigesetz NRW
- Statement FDP-Landtagsfraktion
- Statement CDU-Landtagsfraktion
- Statement NRW-Innenministerium
Über dieses Thema berichten wir am Freitag, 03.01., auch im WDR Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18:45 Uhr.