Eine Filiale des Mobilfunkproviders T-Mobile US am belebten Times Square in New York

NRW-Firmen im Knebel von Trumps Anti-Woke-Politik

Stand: 14.04.2025, 06:00 Uhr

Trumps Kulturkampf gegen sogenannte Wokeness knebelt auch Firmen in NRW. Programme für Vielfalt, Gleichstellung und Inklusion hat die US-Regierung per Dekret für illegal erklärt. Einige Unternehmen in Deutschland knicken schon ein.

Von Antje Passenheim

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Wenn sich NRW-Unternehmer mit Beziehungen zu den USA in diesen Tagen treffen, kursiert diese Frage: "Hast du schon Post bekommen?" Einen Brief, wie ihn Kollegen etwa in Frankreich schon von der dortigen US-Botschaft erhalten haben. Darin die freundliche Aufforderung: Sie mögen von Programmen für Diversität, Gleichstellung und Inklusion - kurz DEI - Abstand nehmen. All das, was Trump als "woken" Unsinn der Demokraten betrachtet – und per Dekret für illegal erklärt hat.

Programme für Vielfalt am Arbeitsplatz waren in den USA eingeführt worden, um der historisch bedingten Benachteiligung - etwa von Schwarzen oder Frauen - entgegenzusteuern. US-Firmen fahren solche Initiativen seit Antritt der neuen Regierung auf breiter Front zurück. Von ihren Websites verschwinden Begriffe, die dem Präsidenten zu "woke" erscheinen. Auch in Europa knicken die ersten Unternehmen ein, die um ihr Geschäft in den USA fürchten.

NRW-Unternehmen und Trumps Anti-Wokeness-Kampagne

WDR 5 Morgenecho - Beiträge 14.04.2025 03:38 Min. Verfügbar bis 14.04.2026 WDR 5 Von WDR 5


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Aldi Süd und T-Mobile streichen Programme

Aldi Süd hatte gleich im vorauseilenden Gehorsam alles von seiner Website gelöscht, was auf DEI-Praktiken hinwies - "Diversity, Equity, Inclusion". Gestrichen wurde etwa die Förderung von schwarzen College-Studenten. Auch die US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile, verpflichtete sich gegenüber einer US-Kontrollbehörde, Programme zur Förderung von Vielfalt einzustellen. Der Mutterkonzern in Bonn unterstrich hingegen, die Deutsche Telekom bleibe ihren Werten verpflichtet.

Eine Gruppe diverser Menschen

Programme für Vielfalt im Job sind unter Druck

"Große Unsicherheit, tiefe Verwirrung"

Trumps Feldzug gegen Vielfalt habe "große Unsicherheit" gesät, erklärt der Emmericher Kaffee-Röstmaschinen-Hersteller Wim Abbing. In Unternehmerkreisen herrsche tiefe Verwirrung, sagt der Chef des mittelständischen Familienunternehmens Probat, das auch eine Tochterfirma in den USA hat. Genau an solche Unternehmer richtet sich das Diktat des US-Präsidenten gegen die in EU-Richtlinien verbrieften Werte.

Von dringlichen Ratschlägen der US-Industrieverbände berichtet der Manager einer deutsch-geführten Firma in Texas dem WDR: "Nehmt besser alles von euren Websites, was woke klingt. Gestaltet eure Texte und Angebote neu und passt auf: Über Frauenquoten redet ihr nicht, über Afroamerikaner nicht, über Energiesparen erst recht."

Ein ganzer Katalog von Formulierungen solle plötzlich umschifft werden, sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte. Alles, was sich richtig anfühle, dürfe nicht mehr gesagt werden. So müsse sich das früher in der DDR angefühlt haben, sagt der Manager. Von anderen Zeiten wolle er gar nicht reden.

Emmericher Unternehmer steht zu seinen Werten

Wim Abbing

Wim Abbing, Unternehmer

Der Emmericher Unternehmer Abbing will sich von so etwas nicht einschüchtern lassen. Sein Unternehmen stehe zu seinen Werten. "Wir nehmen gar nichts von unserer Website", sagt der Chef, dessen Tochtergesellschaft Probat Inc. in den USA zwei Fabriken hat. "Nichts in der Richtung wird nicht geschrieben sein."

Auch der jährliche Nachhaltigkeitsbericht, der ESG-Report, werde auf der Website stehen bleiben. Der Bericht, zu dem die EU alle größeren Unternehmen verpflichtet, könnte jetzt in den USA als Rechtsverletzung gelten. Darin werden Punkte behandelt, von denen Trump einfach nichts mehr hören will: Energieverbrauch, CO2-Ausstoß, Einhaltung der Menschenrechte oder Fragen der Unternehmensethik.

Die Bayer-Story

Vorsichtiger klingt der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer in Leverkusen, der schließlich mit Bill Anderson einen Texaner an der Spitze hat. Seit der Übernahme von Glyphosat-Hersteller Monsanto hat Bayer neben einem Rechtsstreit engste Verbindungen in die USA.

Firmensprecher Markus Siebenmorgen erklärt dem WDR: "Wir setzen uns weiterhin für Vielfalt ein und wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Chancengleichheit und Inklusion für alle gelten." Dies spiegele nicht nur die Werte von Bayer wider, sondern helfe dem Konzern auch dabei, ein noch stärkeres und innovativeres Unternehmen zu werden.

Anwalt: Trumps Kampagne verstößt gegen Völkerrecht

Während manche Wirtschaftsanwälte in Düsseldorf dazu raten, mit besonnenen Formulierungen in Deckung zu gehen, plädieren andere Unternehmensberater dafür, nicht einzuknicken. Der renommierte Wirtschafts-, Europa- und Verfassungsrechtler Ulrich Karpenstein rät betroffenen Unternehmen gar zu einer Unterlassungsklage vor deutschen Zivilgerichten.

Insbesondere Vertragspartner der US-Botschaft könnten sich dagegen wehren, dass das Ansinnen der USA gegen die Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung verstoße, sagt Karpenstein, der auch Vizepräsident des Deutschen Anwaltvereins ist. Dann würde festgestellt werden, dass das, was die USA veranlasst hätten, in Europa gegen die Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung verstoße. "Wir sehen das als einen völkerrechtswidrigen, unionsrechtswidrigen und grundrechtswidrigen Eingriff in die Unternehmenspolitik der betroffenen Unternehmen."

Mehr als an europäisches Recht müssten sich die betroffenen Unternehmen nicht halten. "Wir halten insofern zwar eine Prüfung anhand des europäischen Rechts immer für richtig. Soweit das aber eingehalten wird, hat die europäische Rechtsordnung natürlich Vorrang gegen irgendwelche exterritorialen Machtbefugnisse der neuen US-Administration."

Liminski: Hoffe, dass Firmen Haltung zeigen

Nathanael Liminski, Medienminister NRW.

Nathanael Liminski, NRW-Minister für Internationales

Mit Sorge blickt auch der NRW-Minister für Internationales und Europaangelegenheiten auf das Dilemma. "Ich befürchte in der Tat, dass deutsche Unternehmen mit Blick auf ihren Wertekodex Abstriche machen", so Nathanael Liminski. Das liege am Ende in der Verantwortung der Unternehmensleitungen. "Es zeigt sich erst im Gegenwind, wie ernst man es denn meinte und insofern hoffe ich, dass hier deutsche Unternehmen Haltung zeigen", so Liminski. Gleichzeitig gebe es natürlich ein Interesse am wirtschaftlichen Austausch. "Und insofern muss man hier zu einer guten Balance kommen."

Firmenchef Abbing ist skeptisch: "Ich glaube, der Großteil der Unternehmen sagt sich: Wir machen alles, damit wir das Geschäft halten."

Unsere Quellen:

  • Interview mit Wim Abbing, Chef der Firma Probat
  • Interview mit Nathanael Liminski, NRW-Minister für Internationales und Chef der Staatskanzlei
  • Auskünfte der Pressestelle der Bayer AG
  • Auskünfte der Pressestelle der Deutschen Telekom AG
  • Interview mit dem Wirtschafts-, Europa- und Verfassungsrechtler Ulrich Karpenstein
  • eigene Recherchen der Autorin

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64 Kommentare

  • 64 Wokeless heute, 15:31 Uhr

    Beispiel WDR:„Mit Vielfalt schreiben wir unsere besten Geschichten“. Zustimmung, aber Meinungsvielfalt ist gar nicht gemeint. „Was wir für mehr Vielfalt tun – einige Beispiele“ die gemeint sind. „Diversity-Management“ wie „soziale und kulturelle Vielfalt, Migrationsgeschichten und Gleichstellung“ ist damit gemeint. „queer@wdr – Das Netzwerk. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans:idente und Intersexuelle – kurz "LGBTI" – gehören zur Vielfalt der Gesellschaft, auch im WDR.“ „Die Talentwerkstatt: WDR grenzenlos. Wir arbeiten daran, Journalist:innen und Mitarbeitende mit Zuwanderungsgeschichte zu gewinnen und zu fördern.“ Bei dem Anspruch hat der Normalo nur noch wenig Chancen auf ein Bewerbungsgespräch. Wir haben das Recht mit Russland keine Geschäfte mehr zu machen; ob richtig oder klug oder nicht will ich hier nicht aufrollen. Aber die USA haben auch das Recht Geschäfte zu reduzieren mit Ländern oder Unternehmen die anders Denken. Beim guten Deal werfen sowieso alle alles über den Haufen.

  • 63 Froschkönigin heute, 10:16 Uhr

    Finger weg von Europa und seinen Werten ! Ein orban ist schon genug .wenn jetzt alle einknicken ist das nur eine Bestätigung für Trump und er wird weitermachen . Universitäten , Museen , Kanzleien , alle schon eingeknickt . Das militärarchiev mit Bildern von Frauen und farbigen gesäubert . Als nächstest werden die Geschichtsbücher umgeschrieben und er wird behaupten das die sklaven alle freiwillig gekommen sind , Frauen und farbigen wird das Wahlrecht aberkannt . Und wir ? Wir sollten aufpassen ! Die afd kommt gerade aus dem schenkelklopfen nicht mehr raus . So , und jetzt schreibe ich noch an den Herrn Aldi .

  • 62 Anonym heute, 09:24 Uhr

    Die Haltung eines solch riesigen deutschen Unternehmens wie Aldi Süd ist schockierend. Anstatt mit Mut zu agieren wird in "vorauseilendem Gehorsam" gehandelt. Das ist entmutigend für alle betroffenen Minderheiten und zeigt eine wertelose, kapitalistische Grundhaltung, die für eine deutsche Firma auch ekelhaft geschichtsvergessen ist. Aldi Süd stammt auch ausgerechnet noch aus dem Ruhrgebiet, wo seit Jahrhundeten der Austausch unterschiedlichesten Menschen und Kulturen zum Leben grundsätzlich dazugehört. Schämt euch ihr Verantwortlichen von Aldi Süd!

    • Wokeless 15.04.2025, 15:43 Uhr

      Die vollkommen überzogene Wokeness hat hier längst nicht den Rückhalt wie dargestellt. Es schadet dem Geschäft im eigenen Land und Trump bietet Gelegenheit wieder Richtung Neutralität zu gehen. Es gibt so eineige Trends den man meinte hinterher laufen zu müssen und ist auf dem Irrweg angekommen.

  • 61 Huda heute, 08:33 Uhr

    Ich bin den Firmen und ihren Leitungspersonen, die vor dem trumpschen Diktat nicht einbrechen,tief dankbar.

  • 60 rolfjennissen heute, 08:18 Uhr

    Die deutschen Unternehmens Manager haben kein Rückgrat.Beim ersten Gegenwind fallen die um.

  • 59 Pogo heute, 00:38 Uhr

    Woke Must broke. Fine ich gut. Hier ereifern sich genau die Menschen, die ohne Skrupel seinerzeit Impfkritiker und Maßnahmengegner in die rechte Ecke gestellt haben, sie gecancelt haben. Steckt euch eure Doppelmoral dahin, wo sonst nur Kloake rauskommt! Ich finde Trumps Agieren super. Keine Fummeltrine und kein Moslem haben in meinem Herzen Platz. Wer von sog Vielfalt faselt, fördert die geistig verkommene Einfalt!

    • Froschkönigin 15.04.2025, 10:19 Uhr

      Hääää?

    • otto 15.04.2025, 11:36 Uhr

      @pogo, mit Einfalt kennen Sie sich ja aus!

  • 58 Hergen 14.04.2025, 22:18 Uhr

    Ich bin sprachlos darüber, wie zwei Menschen in den letzten Wochen die Weltwirtschaft beeinflussen können. Betrachtet und vergleicht man deren Mimik und Gestik bei öffentlichen Auftritten, drängt sich mir der Eindruck auf : Hier haben sich, auf Augenhöhe, zwei Patienten mit Asperger Syndrom lieben gelernt.

  • 57 Anneli Meyer-Bergmann 14.04.2025, 21:21 Uhr

    Wir dürfen uns nicht von einem Irren vorschreiben lassen wie wir zu leben und zu handeln haben.

  • 56 A. Wilf 14.04.2025, 20:03 Uhr

    Heute im stern eine Karikatur von Till Mette gesehen, die die Kanzel des Hiroshima-Bombers im Museum zeigt, aber mit der Aufschrift "ENOLA HETERO". Ich hab' das ja für einen Scherz des Zeichners gehalten, aber der Wahnsinn hat Methode: "Aufgrund einer Executive Order des amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, die vorgibt alle Inhalte mit einem Bezug zu den Themen Diversität, Gleichheit und Inklusion (diversity, equity, and inclusion (DEI)) zu entfernen, will das Pentagon mehr als 26.000 Bilder von seinen Webseiten löschen. Davon betroffen sind auch alle Aufnahmen der Enola Gay, da hier das Wort Gay vorkommt." (Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Enola_Gay#Trivia). Schon im Februar hatte Trump den Schwarzen Generalstabsschef Charles Q. Brown Jr. gefeuert, der als DEI-Befürworter in Ungnade gefallen war.

  • 55 G.Wittler 14.04.2025, 20:00 Uhr

    Bei den Firmen, die sich von Trump unter Druck setzen lassen, kaufe ich nichts mehr. Sie verleugnen unsere Werte .

  • 54 Bärbel Struwe 14.04.2025, 17:55 Uhr

    Mir wird langsam einfach nur übel, was ein einzelner und auch noch vorbestrafter Mann, alles so anstoßen kann. Das ist pervers.