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Regierungsbildung: Was erwarten die Kommunen beim Thema Migration?
Stand: 28.02.2025, 13:34 Uhr
Die Migration war eines der großen Themen der Bundestagswahl. Die Kommunen hoffen vor allem auf mehr Unterstützung bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten und klarere Regelungen bei der Zuweisung.
Von Anne Bielefeld & Moritz Börner
Die Stadt Witten hat eine Überlastungsanzeige beim Land gestellt, damit vorübergehend keine Geflüchteten mehr zugewiesen werden. Die Unterkünfte in der Stadt sind überfüllt, das Personal knapp, die Situation herausfordernd. Damit steht Witten nicht allein da: 229 NRW - Kommunen haben in den vergangenen Jahren beim Land eine Überlastungsanzeige gestellt. Das zeigt: Die Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten bleibt für die Kommunen eine große Herausforderung.
"Wir Städte brauchen Hilfe"

Migration war das bestimmende Wahlkampfthema in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl. Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler, Friedrich Merz von der CDU, hat einen strikten Kurs angekündigt, fordert unter anderem mehr Abschiebungen und Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen.
Und was ist den Kommunen wichtig, die die Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten zum Großteil stemmen? "Hier im Kleinen fängt die Demokratie an und das soll eine neue Bundesregierung verstehen und das auch umsetzen", sagt die Sozialdezernentin der Stadt Witten, Ann Kahtrin Frede, "wir Städte brauchen Hilfe."
Altschuldenregelung soll Kommunen entlasten
Hilfe, das bedeutet für die Sozialdezernentin vor allem: Mehr Geld, zum Beispiel um neues Personal in Kitas oder Schulen einstellen zu können, da wo die Integrationsarbeit geleistet werden muss. Frede hat auch eine Idee, wo das Geld herkommen soll, die neue Bundesregierung solle endliche eine Regelung für die Altschulden der NRW - Kommunen finden und so die kommunalen Haushalte entlasten.
Bleibeperspektive wichtiges Kriterium für Zuweisungen
Wichtig sei auch, dass Asylbewerber ohne Bleibeperspektive nicht in die Kommunen überwiesen werden. "Dass wir die in den Landesunterkünften lassen und von dort abschieben", fordert Frede. Gleichzeitig gelte es, diejenigen, die in die Kommunen kommen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu integrieren, auch weil der Arbeitsmarkt auf Zuwanderer angewiesen sei.
Auch in Hückeswagen im Oberbergischen Kreis hofft die Stadtverwaltung darauf, dass die neue Bundesregierung für Entlastung sorgt. In der Kleinstadt sind die Flüchtlinge in vier Sammelunterkünften untergebracht. Der Wohnraum in Hückeswagen sei knapp, sagt Bürgermeister Dietmar Persian (parteilos).
Hoffen auf mehr finanzielle Unterstützung
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In einer alten Schule, die kurz vor dem Abriss stand, werden jetzt Flüchtlinge vorrübergehend untergebracht. Rigipsplatten unterteilen die Klassenzimmer in mehrere, sehr einfach eingerichtete Dreibettzimmer. Alles wirkt provisorisch, es gibt keine abschließbaren Türen, keine Privatsphäre. Anders ginge es nicht, sagt Bürgermeister Dietmar Persian. Die Unterkunft muss aus eigenen Mitteln bezahlt werden, obwohl der Hückeswagener Haushalt mehr als angespannt ist, mit einem Rekorddefizit von derzeit gut 11 Millionen Euro. "Wir wünschen uns, dass der Bund künftig zumindest die Vorhaltekosten für die Flüchtlingsunterbringung übernimmt", fordert der Bürgermeister.
Mehr Begrenzung für bessere Integration
Ginge es nach Dietmar Persian, seien stärkere Kontrollen an den Grenzen und konsequentere Abschiebungen sinnvoll. Er befürwortet die Forderungen von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Dabei ginge es dem Bürgermeister weniger um Sicherheitsfragen. Ihm gehe es vor allem darum, bessere Bedingungen in den Kommunen für vorhandene Flüchtlinge zu schaffen. "Integration bedeutet Arbeit. Das braucht Zeit, das braucht Kraft. Und da dürfen wir uns selbst nicht überfordern."
Flüchtlinge sorgen sich um ihre Zukunft
Den Ruf nach einer strikteren Asylpolitik bekommen auch viele Geflüchtete mit. Samiullah aus Afghanistan zum Beispiel. Er lebt seit zwei Jahren in Hückeswagen und durfte vor kurzem von der Sammelunterkunft in eine Wohnung ziehen. Er hat mittlerweile Deutsch gelernt und eine Arbeit gefunden. Die Verschärfung der Asyldebatte beobachtet er mit großer Sorge. "Ich bin auch aus Afghanistan. Aber ich bin nicht wie die, die die Anschläge in München oder Aschaffenburg verübt haben. Wir sind sind nicht gleich", sagt er. Er hofft, dass er hier bleiben und sich ein Leben in Deutschland aufbauen kann.
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Der Pfarrer Christian Heine-Göttelmann vom Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe appelliert an die kommende Bundesregierung, trotz aller Schwierigkeiten bei der Versorgung von Geflüchteten die menschliche Seite nicht aus dem Blick zu verlieren. Das Diakonische Werk RWL betreut Geflüchtete in zahlreichen Unterkünften und Beratungsstellen. Grundsätzlich sei Zuwanderung wichtig, auch um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. "Wir brauchen Einwanderung, und wir brauchen eine gute, gelingende Integration", sagt Heine-Göttelmann. Die neue Bundesregierung müsse also mehr Geld zur Verfügung stellen, damit Flüchtlinge gut integriert werden können.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 02.03.2025 auch im Fernsehen: Westpol, um 19.30 Uhr.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort
- Stadt Witten
- Stadt Hückeswagen
- Diakonisches Werk Rheinland