Immer mehr Schülerinnen und Schüler bleiben in NRW dem Unterricht unerlaubt fern. Das geht aus einer Anfrage des WDR-Magazins "Westpol" an das NRW-Schulministerium hervor. Konkret: 2020 gab es 5.573 Bußgeld-Verfahren, 2024 waren es bereits 8.076 Verfahren, die von den Bezirksregierungen eingeleitet wurden. Ein Anstieg von 45 Prozent. Die meisten Verfahren wurden im Regierungsbezirk Düsseldorf eingeleitet.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn erst wenn pädagogische Maßnahmen nicht mehr helfen, werden diese Bußgelder wegen Schwänzens überhaupt fällig, teilt das Schulministerium mit.
Verstöße ohne Bußgeldverfahren werden nicht erfasst
Kleinere Verstöße tauchen also überhaupt nicht in der Statistik auf. "Da sich die Schulen zunächst selbst um die Fälle von Schulabsentismus kümmern und pädagogisch auf Schülerinnen und Schüler einwirken, liegen Informationen zu den konkreten Fällen nur auf Ebene der Schulen vor", heißt es aus dem Schulministerium. Außerdem sind bei den landesweiten Daten nicht alle Schulformen erfasst.
Für Hauptschulen, Förderschulen und Grundschulen sind die Kommunen zuständig. Das sind mehr als die Hälfte aller Schulen. Gerade im Ruhrgebiet wird viel geschwänzt. Allein in Gelsenkirchen wurden im vergangenen Schuljahr 520 Bußgeldverfahren eingeleitet. Die Zahl der Fälle läge aber viel höher, teilt die Stadt dem WDR auf Anfrage mit.
Was passiert, wenn man die Schule schwänzt?. Herzfunk. 27.05.2024. 04:02 Min.. Verfügbar bis 28.05.2029. Die Maus.
Gründe für Schulverweigerung vielfältig
Rund um die Ferien kommt es wieder vor, dass Familien die Ferienzeiten verlängern wollen, um vielleicht ein bisschen bei den Urlaubskosten zu sparen. Das kann allerdings richtig teuer werden. Im Regierungsbezirk Münster wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 293 Euro an Bußgeld fällig. Möglich sind sogar bis zu 1.000 Euro pro handelnder Person.
Gründe für Schulverweigerung lägen aber auch häufig im sozialen Umfeld der betroffenen Schülerinnen und Schüler, räumt das NRW-Schulministerium ein. Das sei ein ernstzunehmendes Thema. Gründe können Schulangst oder andere psychische Probleme sein. Dennoch überlässt das Land diese Fälle den Schulen und erfasst keine eigenen Daten dazu.
Lange Leidensgeschichte für Schulabbrecher
Dabei sind die Folgen für die betroffenen Jugendlichen dramatisch. Dem Schwänzen folgt oft der Schulabbruch. So wie bei Lara Neu aus Gelsenkirchen. Als Kind war sie schüchtern und immer wieder Opfer von Mobbing. "Ich wurde beleidigt, geschlagen, getreten“, erzählt Lara dem WDR. Aus Angst fing sie an zu schwänzen. Ihren Eltern erzählte sie nichts, die Schulen reagierte nicht. Eine Abwärtsspirale begann. Lara bekam psychische Probleme, musste in Therapie und brach die Schule ab.
Zu wenig Hilfsangebote
Erst der Förderkorb, ein Projekt der Katholischen Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen, konnte Lara auffangen. Hier bekam sie einen geregelten Tagesablauf und die Möglichkeit den Hauptschulabschluss zu machen. Doch es gäbe viel zu wenige Plätze für betroffene Jugendliche, kritisiert Förderkorb-Leiter Holger Ott. Er fordert dauerhaft mehr Geld und Personal für solche Projekte.
Lara hatte Glück und bekam eine zweite Chance. Vom Förderkorb ging sie an ein Berufskolleg in Bochum. Im kommenden Jahr will sie das Fachabitur machen, um danach soziale Arbeit zu studieren. Später wolle sie Jugendlichen mit psychischen Problemen helfen. Denn Lara weiß, was es bedeutet, die Schule zu schwänzen und ohne Abschluss abzugehen.
Unsere Quellen:
- Westpol-Anfrage an das NRW-Schulministerium
- Stadt Gelsenkirchen
- Katholische Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen
Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 27.04.2025 um 19.30 Uhr im Magazin "Westpol" und im Hörfunk auf WDR5 im Landesmagazin "Westblick" am 28.04.2025 um 17:04 Uhr.