Kommentar: Viel Einigkeit, aber wenig Spannung im TV-Duell

Stand: 13.05.2022, 06:00 Uhr

"Unterschiede musste das Publikum mit der Lupe suchen": So blickt Landespolitik-Reporter Wolfgang Otto in seinem Kommentar auf das TV-Duell zurück, in dem für ihn statt Spannung vor allem Einigkeit überwog.

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Selten war ein Duell mit solcher Spannung erwartet worden wie dieses. Denn anders als im Saarland und kürzlich in Schleswig-Holstein steht es vor dem Wahltag in Nordrhein-Westfalen wirklich Spitz auf Knopf. Nach den bisherigen Umfragen ist das Rennen zwischen dem Amtsinhaber Hendrik Wüst von der CDU und dem Herausforderer Thomas Kutschaty von der SPD völlig offen. Einer wird gewinnen und jeder von beiden kann gewinnen.

Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Polizisten, Lehrer, Krankenhäuser: Einigkeit in allen Bereichen

Doch nach dem Auftritt der beiden musste man feststellen: Richtige Spannung ist zwischen den beiden Kontrahenten nicht aufgekommen. Bei fast allen Themenbereichen, die abgefragt wurden, waren sich Wüst und Kutschaty im Ziel einig: Beide wollen mehr Polizisten und Lehrer, mehr Wohnungen, eine bessere Krankenhausversorgung und einen schnellen klimaneutralen Umbau der Industrie. Oft schossen die Duellanten in die gleiche Richtung, statt sich gegenseitig ins Visier zu nehmen.

Da hat man in NRW bei anderen Gelegenheiten schon heftigere Grabenkämpfe erlebt. Diesmal musste das Publikum die Unterschiede schon mit der Lupe suchen.

An einigen Stellen schimmerten alte Konfrontationslinien durch: Einmal erlaubte sich der CDU-Mann darauf hinzuweisen, dass Kutschatys Forderung nach beitragsfeien Kitas viel Geld kosten wird, das derzeit vielleicht nicht da ist. Kutschaty konterte: Dafür werfe Wüst den Häuslebauern 400 Millionen Euro hinterher, die für den sozialen Wohnungsbau besser angelegt wären. Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die SPD mehr auf staatliche Eingriffe, die CDU mehr auf Privat-Initiative. Ja, der Unterschied wurde deutlich, was aber auch keine sensationelle Neuigkeit ist.

Routiniert, aber auch glatt: Wüst und Katschaty spulen ihr Programm runter

Erstaunlich war da schon eher, wie pfleglich die beiden miteinander umgingen. Beide gaben sich als sachorientierte Macher. Ihren Stoff hatten beide drauf und beide spulten ihr Programm routiniert herunter. Pannenfrei, solide und unaufgeregt. Aber auch ziemlich glatt.

Dafür gibt es Gründe: Wüst will vor allem Fehler vermeiden. Bloß nicht in die Laschet-Falle tappen und etwas raushauen, was auf Anhieb irritiert und auch im Nachhinein nicht zu erklären ist. Das scheint sein inneres Mantra seit Amtsantritt. Und Kutschaty hat von Scholz gelernt und ist lieber mal langweilig als polarisierend. Bloß nicht den Wadenbeißer geben, scheint er sich gesagt zu haben. Dazu kommt: Beide müssen damit rechnen, nach der Wahl eine lagerübergreifende Koalition bilden zu müssen. Kutschaty vielleicht mit Beteiligung der FDP, Wüst vielleicht mit den Grünen. Da muss man sich offen zeigen nach allen Seiten. Das ist beiden in diesem Wahlkampf bisher gut gelungen. Die Entscheidung für unentschlossene Wähler macht es aber nicht einfacher, sondern schwerer.