Eine Ärztin sitzt auf dem Boden und hält sich die Hände an den Kopf.

Attacke in Essener Krankenhaus: Immer häufiger werden Helfer zu Opfern

Stand: 26.09.2024, 16:10 Uhr

Fünf verletzte Klinikkräfte in Essen durch Angehörige eines verstorbenen Patienten: damit hat sich nun der Innenausschuss befasst. Dem WDR liegen exklusiv Zahlen zu Gewalt in Krankenhäusern vor.

Von Kai Clement

Ein Gewaltexzess als Antwort auf den Tod eines 87-jährigen Angehörigen im Krankenhaus: auf Klinik-Personal im Essener Elisabeth-Krankenhaus wurde eingeschlagen, fünf Helferinnen und Helfer wurden verletzt. Den Ermittlern zufolge sind die Beschuldigten Clan-Mitglieder. Heute hat sich der Innenausschuss des Landestages damit befasst.

Fallzahlen haben zuletzt massiv zugenommen

Dem WDR liegt exklusiv die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der SPD vor. Demnach gab es im vergangenen Jahr 1.705 Fälle von Straftaten und sogenannten Rohheitsdelikten (darunter fallen u.a. Körperverletzungen und Raub) in Krankenhäusern und Sanatorien. Im Vergleich zu 2022 ist das eine Steigerung um rund 8,5 Prozent.

Innenausschuss zu Fall in Essener Krankenhaus

WDR Studios NRW 26.09.2024 02:03 Min. Verfügbar bis 26.09.2026 WDR Online


Im Jahr 2022 wurde 1.571 Fälle bekannt - das ist ein Plus von mehr als 22 Prozent im Vorjahresvergleich. Um Gewalt an Klinken vorzubeugen gebe es bereits viele Maßnahmen. Die können baulicher Art sein, wie etwa durch Notrufschalter oder erhöhte Tresen bei der Patientenanmeldung. Es gehe aber auch um Deeskalationstrainings und Hilfe für Betroffene, heißt es bereits in der Antwort auf eine Kleine Anfrage vom Mai.

Fall in Essen

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht mit Polizisten bei einer Polizeikontrolle. Die Polizei hat in mehreren Städten in Nordrhein-Westfalen kontrolliert und nach verbotenen Gegenständen wie Messern, scharfen Waffen oder Drogen gesucht.

Archivfoto: Innenminister Herbert Reul

Im Fall des Essener Krankenhauses sei eine Todesnachricht Auslöser für die Gewalt gewesen: Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, als Reaktion darauf "stürmten einige Familienangehörige den OP, in dem der verstorbene Mann lag". Unter den Verletzten war nach seinen Angaben auch eine Ärztin, die mit Verdacht auf Gehirnerschütterung stationär behandelt werden musste. Reul sagte, ein solches Verhalten gehöre nirgendwo hin, aber erst recht nicht ins Krankenhaus.

Gewalt und Beleidigungen

Die beiden Beschuldigten sind demnach Söhne des Verstorbenen und nach Einschätzung des Polizeipräsidiums Essen kriminelle Clanangehörige, die bereits wegen diverser Delikte vorbestraft seien. Auch nach dem Eintreffen der Polizei habe einer der beiden Söhne "das Klinikpersonal wiederholt bedroht" und auch die Polizistinnen und Polizisten beleidigt.

Eine Ärztin steht erschöpft an der Tür einer Notaufnahme.

Immer mehr Gewalt in Krankenhäusern

Marc Lürbke von der FDP verlangte ein härteres Durchgreifen gegen Clan-Kriminalität. Die sogenannte Politik der 1.000 Nadelstiche mit vielen Razzien drohe sonst – Zitat – zu einer "Wohlfühlakupunktur" zu werden. Der Fall reihe sich ein in die viel zu hohe Anzahl von Übergriffen auf medizinisches Personal und Einsatzkräfte. Der CDU-Abgeordnete Gregor Golland fand es nicht nachvollziehbar, dass die Beschuldigten derzeit wieder auf freiem Fuß seien.

Präventions-Initiative

Reul bedauerte eine "zunehmende Gewaltbereitschaft" in der Gesellschaft. Zugleich verwies er neben der Strafverfolgung auf vorbeugende Maßnahmen - beispielsweise durch die Initiative "Sicher im Dienst", ein Präventions-Netzwerk u.a. mit Tipps für den Arbeitsalltag. Der werde in Kürze auch die NRW-Krankenhausgesellschaft beitreten.

Über dieses Thema berichten wir am 26.09.2024 auch im Hörfunk: Westblick auf WDR 5 ab 17.05 Uhr.

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