Ausschnitt eines aus Kommunen angepasstes Monopoly-Spielbretts unter anderem mit der "Schuldenstraße"

Klamme Kommunen: Wann tut sich endlich etwas?

Stand: 04.02.2025, 16:36 Uhr

Marode Schulklos, kaputte Straßen: Den NRW-Kommunen fehlt Geld für Sanierungen. Ändert sich daran etwas nach der Bundestagswahl? Die Parteien versprechen wieder mal viel. Ein Experte fordert strukturelle Änderungen.

Von Martin TeiglerMartin Teigeler

"Die finanziellen Rahmenbedingungen für nachhaltiges kommunales Handeln haben sich in den letzten Jahren verschlechtert", heißt es im SPD-Wahlprogramm. "Die Lebensverhältnisse in den Städten gehen weiter auseinander. Wir wollen Städte wieder stärken."

Auch CDU und CSU versprechen in ihrem Wahlprogramm, die "Finanzkraft der Kommunen" zu stärken. Man wolle "Kommunalfinanzen krisenfest und zukunftssicher machen", unter anderem um Investitionen in Bildung und Verkehr zu fördern.

Das Problem dabei: Die beiden zitierten Bundestags-Wahlprogramme stammen aus dem Jahr 2013. Die Union regierte von 2005 bis 2021 - und stellte dabei die Kanzlerin. Die SPD ist seit Ende 2013 durchgehend Teil der Bundesregierung - seit 2021 als Kanzlerpartei. In all den Jahren war die Klage der Kommunen immer wieder Thema.

Steigende Soziallasten, massiver Investitionsstau

Und 2025? Mitten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs schlagen die NRW-Kommunen Alarm - wieder einmal. "Die Kommunalfinanzen in NRW befinden sich in einer tiefen Krise", teilten Städtetag, Gemeindebund und Landkreistag gemeinsam mit.

Die kommunalen Haushalte steuerten auf immer neue Rekorddefizite zu. Als Kostentreiber nannten die Verbände "die stetig steigenden Sozialausgaben" durch Vorgaben des Bundes in Bereichen wie Kinder- und Jugendhilfe, Pflege, Migration sowie Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Sie beklagten einen "massiven Investitionsstau bei Infrastruktur und öffentlichen Gebäuden".

Auch in diesem Wahlkampf versprechen Union und SPD, also die beiden wichtigsten Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte, den Städten wieder Hilfe. Man wolle "den Kommunen eine adäquate Finanzausstattung für die Bewältigung ihrer Aufgaben zukommen zulassen", heißt es im aktuellen SPD-Wahlprogramm. Und die Union verspricht in ihrem: "Um eine stabile Finanzlage zu gewährleisten, brauchen die Kommunen auch dauerhaft sichere Einnahmequellen."

Pessimistische Erwartungen in den Kommunen

Wie Städte und Gemeinden ihre Haushaltssituation aktuell und in den nächsten Jahren einschätzen, machte 2024 eine Umfrage klar:

Deutlicher als in anderen Ländern zeige sich in NRW in der akuten Finanznot "eine lange bestehende strukturelle Schieflage" unter anderem durch Mehrausgaben im Sozialbereich, sagt Michael Thöne, Geschäftsführender Direktor des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts der Universität Köln.

Finanzwissenschaftler für Strukturreformen

Nach Ansicht von Thöne ist eine "strukturelle Entflechtung von Sozialleistungen und Kommunen notwendig", also sollten nicht die Kommunen für Sozialleistungen zuständig sein. Thöne sagt, eine effiziente und gut steuerbare Sozialpolitik gehöre auf die zentralstaatliche Ebene. Die Kommunen müssten "sich wieder stärker um ihre (finanziell oft vernachlässigten) Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge kümmern können".

Stimmt der Eindruck, dass sich politisch seit Jahren kaum was verbessert hat für die Kommunen? Thöne widerspricht - zumindest teilweile: "Es hat sich viel getan, aber nicht immer das Notwendige. Probleme wurden gemildert, aber dadurch eher konserviert als gelöst." Hilfen für kommunale Finanzprobleme kämen oft allerdings als "nachholende Flickschusterei" in Notlagen - etwa in der Corona-Zeit.

Was passiert beim Thema Altschulden?

Ein Thema hat sich als Dauerbrenner erwiesen: Die Schuldenlast ist in vielen Städten und Gemeinden so stark angewachsen, dass sie diese alleine nicht mehr bewältigen können. Es handelt sich dabei um das Geld, das Kommunen über Kredite aufnehmen müssen, um alles am Laufen zu halten. Seit Jahren wird in NRW und im Bund über Lösungsideen politisch debattiert - bislang ohne Ergebnis.

Im Januar brachte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf auf den Weg, der über eine Grundgesetzänderung die Schuldenlast von Städten und Gemeinden verringern soll. Ein späteres Gesetz soll regeln, dass Bund und die Länder jeweils zur Hälfte kommunale Altschulden übernehmen.

"Diese Grundgesetz-Änderung kurz vor Ende der Legislaturperiode vorzuschlagen, ist unseriös", hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisiert. Der Gewerkschaftsdachverband NRW-DGB hatte den Plan des Bundes hingegen begrüßt und Ministerpräsident Wüst aufgefordert, sich in der Union für eine Zustimmung starkzumachen.

"Das Paket stößt bei vielen anderen Ländern auf wenig Gegenliebe. Kommunale Altschulden sind nur in einer Minderheit der Länder ein Problem, von einer gemeinsamen Lösung würde NRW am meisten profitieren", sagt der Finanzwissenschaftler Thöne. Sein Ausblick: "Wie gut die Chancen für eine gemeinsame Altschuldenlösung nach der Bundestagswahl sind, steht in den Sternen."

Unsere Quellen:

  • eigene Recherchen
  • Pressemitteilung der kommunalen Spitzenverbände
  • Interview mit dem Finanzwissenschaftler Thöne
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters

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