Als der Landtag im Sommer ein neues Kommunalwahlrecht beschlossen hatte, war eigentlich schon klar, dass die FDP vor den Landesverfassungsgerichtshof ziehen wird. Sie sah durch das neue Verfahren kleinere Parteien - zu denen sie sich auch zählt - benachteiligt.
Ein neues Gutachten soll nun diese These stützen. Erstellt haben es der Politikwissenschaftler Joachim Behnke und die Mathematikerin Kai-Friederike Oelbermann. Die Untersuchung der beiden zeigt auf, dass die FDP zum Beispiel 135 Mandate weniger in kommunalen Vertretungen hätte, wäre schon bei der vergangenen Kommunalwahl das neue Verfahren angewandt worden. Dagegen hätten vor allem SPD und CDU profitiert. Die SPD hätte 131 Sitze mehr, die CDU sogar 234. Auch die Zahl der Fraktionen in Stadt- und Gemeinderäten wie Kreistagen wären geringer mit dem neuen Verfahren.
Der "Matthäus-Effekt" für die Habenden
Behnke, Professor an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, spricht von dem sogenannten "Matthäus-Effekt". Dieser besagt, dass "wer hat, dem wird gegeben", so der Forscher in Anlehnung an ein Bibel-Zitat.
Hintergrund der Verschiebungen ist ein kompliziertes Verfahren, das der Grüne-Landtagsabgeordnete Simon Rock entwickelt hat. Es soll regeln, was mit nicht glatten Ansprüchen geschehen soll, also wie viele Mandate zum Beispiel eine Partei bekommt, die nach der Wahl Anspruch auf 1,5 Prozent der Sitze hat.
Bisher wurde ab 0,5 aufgerundet und darunter abgerundet, ohne einen Unterschied zwischen den Parteien zu machen. Das neue Verfahren kennt das nicht mehr. So wird jetzt nur noch dort aufgerundet, wo der entstehende Sitz die geringste, relative Verbesserung bedeutet. Für eine Partei, die 19 Mandate errungen hat, fällt ein weiterer Sitz weniger ins Gewicht, als eine Partei die nur einen Sitz hat und mit einem weiteren ihren Anteil verdoppeln würde - demnach profitierten meist die stärkeren Parteien.
Sperrklausel durch die Hintertür
Konkret kann das - so der FDP-Vorwurf - sogar dazu führen, dass eine Partei mit 0,9 Prozent der Stimmen keinen Sitz bekommt, eine Partei mit 19,1 Prozent ein weiteres Mandat. FDP-Fraktionschef Henning Höne sieht darin eine "de Facto Einführung einer Sperrklausel durch die Hintertür".
Genau diese Sperrklausel ist jedoch für Kommunalwahlen nicht vorgesehen. Das Argument, dass mit dieser neuen Regel die Fragementierung der kommunalen Räte eingedämmt werde, sieht Höne nicht. Regeln dagegen würden nur Sinn ergeben, wenn die Arbeit des Parlaments durch zu viele kleine Parteien tatsächlich arbeitsunfähig würden.
Im Kommunalen sei dies aber bisher nicht zu beobachten, so der FDP-Mann, auch wenn mehr Fraktionen natürlich eine Gewisse Beinträchtigungen nach sich ziehen. Dennoch sei es, so Höne, verfassungsrechtlich problematisch, dieses System einzuführen. "Man könne dem zum Beispiel durch Redezeitverkürzungen von Einzelmandatsträgern begegenen", sagte Höhne vor Journalisten.
Volt hat bereits Klageschrift eingereicht
Bis Mitte Dezember kann die FDP ihre Klageschrift am Landesverfassungsgerichtshof in Münster einreichen. Man wolle dies aber schon in den nächsten Wochen angehen, hieß es von der FDP.
Zur Verhandlung wird es auch ohne FDP-Klage kommen: Die Partei Volt hat bereits ihre Klageschrift gegen das Wahlrecht in Münster eingereicht.
Unsere Quellen:
- Gutachten im Auftrag der FDP-Fraktion
- Pressekonferenz der FDP-Fraktiopn
- WDR-Recherchen