Betrug mit Corona-Tests: Warum holt der Staat sich kein Geld zurück? 04:50 Min. Verfügbar bis 14.01.2026

Milliardenbetrug mit Corona-Tests: Niemand kontrolliert mehr nach

Stand: 14.01.2024, 13:00 Uhr

1,2 Milliarden Euro haben Betrüger nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes mit falsch abgerechneten Corona-Tests kassiert. Ernsthafte Versuche, Geld zurückzuholen, gibt es nicht.

Von Michael Hoverath und Bernd Neuhaus

Frühjahr 2021. Die Corona-Pandemie läuft schon knapp ein Jahr. Es gibt zum ersten Mal Schnelltests, um das Virus aufzuspüren. Jetzt braucht es zügig auch Testmöglichkeiten.

Kurz nachdem die erste Testverordnung des Bundes die Bedingungen dafür geregelt hatte, schossen in NRW Bürgertestzentren förmlich aus dem Boden. Im März 2021 starteten die ersten gut 1800. Im Juni waren es schon mehr als 9000.

"Was schon auffiel ist, dass in vielen Testzentren Leute arbeiteten, die mit medizinischen Fragen gar nichts zu tun haben. Es waren viele Glücksritter dabei", erinnert sich Apotheker Jürgen Wunderlich, der im Kreis Mettmann viele seriöse Testzentren seiner Kollegen begleitet hat. Tatsächlich bestätigt das NRW-Gesundheitsministerium noch einmal, dass es keinerlei Voraussetzungen für die Betreiber der Bürgertestzentren gab. Jeder durfte eins eröffnen.

"Eine Einladung zum Betrug"

Um eine effektive Kontrolle kümmerte sich niemand. Die Betreiber mussten nicht mehr tun, als durchgeführte Tests bei den kassenärztlichen Vereinigungen zu melden. Dann gab es Geld. "Das war in der Anfangszeit durchaus eine Einladung zum Betrug", sagt Matthias Warnecke vom Deutschen Steuerzahlerinstitut, dem Forschungsinstitut des Bundes der Steuerzahler. Er setzt sich dafür ein, dass die Kontrollen verbessert werden.

Später drängte das Bundesgesundheitsministerium die kassenärztlichen Vereinigungen, etwas genauer hinzuschauen. Gelungen ist das nie, räumt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ein:

"Trotz Hinweisen aus den Ländern und frühen ersten Betrugsfällen wurden die Regelungen bis zum Ende der Bürgerteststellen kaum auf eine effektive Missbrauchsprävention nachgebessert."

Deshalb war jahrelang Erstaunliches möglich. In Köln rechnete eine kriminelle Bande 1,8 Millionen Tests ab und kassierte dafür mehr als 20 Millionen Euro. Dass die Täter nicht mal ein Testzentrum besaßen, fiel nicht den kassenärztlichen Vereinigungen auf, sondern dem Zoll.

Millionen ausgezahlt - für Tests, die nie stattgefunden hatten

In Essen rechnete eine Busfahrerin rund eine Million für Corona-Tests ab, die ebenfalls nie stattgefunden haben. Auch das fiel nicht etwa der kassenärztlichen Vereinigung auf, sondern ihrer Bank, die sich über den plötzlichen Reichtum der Kundin wunderte.

Fakt ist: 17,6 Milliarden Euro Steuergeld hat der Bund für Bürgertests bezahlt. Auch für die kassenärztlichen Vereinigungen war das ein gutes Geschäft. 420 Millionen Euro kassierten sie vom Bund, weil sie die Auszahlung der Gelder organisierten – eine Summe, die nach Angaben des Landesgesundheitsamtes NRW weit über den Ausgaben liegt.

Fehlanreiz für Kontrolleure der Kassenärztlichen Vereinigungen

Hinzu kommt: Die kassenärztlichen Vereinigungen bekamen einen prozentualen Anteil an den Ausgaben. Je höher die Summe für abgerechneten Bürgertests war, umso größer waren also auch ihre Einnahmen. Jeder aufgedeckte Betrug hätte den Gewinn geschmälert. Der Bundesrechnungshof hat das schon früh als Fehlanreiz bezeichnet, das Forschungsinstitut des Bundes der Steuerzahler nennt es einen "groben Konstruktionsfehler".

Bis heute sind von den mindestens 1,2 Milliarden Euro, die Betrüger zu Unrecht kassiert haben, gerade mal 160 Millionen zurückgefordert worden. Das Bundesgesundheitsministerium teilt uns auf Anfrage mit, dass weiter intensiv geprüft werde, um Betrüger auch jetzt noch zu enttarnen. Mit dieser Hoffnung steht das Ministerium allerdings ziemlich alleine da.

Das Geld ist wohl endgültig verloren

"Das Engagement der Kassenärztlichen Vereinigung ist geringer denn je", sagt Matthias Warneke vom Deutschen Steuerinstitut. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen selbst räumen ein, dass viele Betreiber der Testcenter inzwischen schlicht nicht mehr auffindbar seien.

Viel Zeit bleibt ohnehin nicht mehr. Nur bis zum Jahresende müssen die Betreiber der Bürgertests Unterlagen, die ihre Tätigkeit belegen, aufheben. Danach gibt es nichts mehr zu kontrollieren.

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