Fast neun Millionen männliche Küken seien in den ersten neun Monaten des Jahres in Deutschland geschlüpft - aber niemand wisse oder wolle wissen, was mit den Tieren passiert ist, klagt Foodwatch-Geschäftsführer Chris Methmann. Selbst der Zentralverband der Geflügelindustrie könne nur spekulieren.
Auch die zuständigen Behörden wüssten nicht, was mit den männlichen Küken passiere. Entsprechende Kontrollen fänden nicht statt, so Methmann. Foodwatch habe aber Anhaltspunkte dafür gefunden, dass viele Betriebe die Küken ins Ausland brächten - wo sie unter Umständen doch getötet werden.
Der Zentralverband der Geflügelindustrie bestätigt Exporte ins Ausland, vor allem nach Polen. Was dort im Einzelnen passiere, verfolge der Verband nicht weiter. Aber dort sei die Mast der Tiere rentabler. Von dort würde das Fleisch dann weiterverkauft - in der Regel auf den afrikanischen Kontinent, da das Fleisch männlicher Tiere in Europa kaum nachgefragt werde. Der Verband macht sich daher für eine EU-weite Lösung stark, um Tierleid nicht einfach zu exportieren.
NRW-Ministerium will europaweites Kükentötungsverbot
Nach Darstellung von Foodwatch werden die Tiere dagegen eben nicht nur für Aufzucht und Fleischproduktion ins Ausland gebracht. Mindestens in einem Fall einer Brüterei aus NRW seien die männlichen Küken zur direkten Tötung exportiert worden.
Das Landesministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz bestätigte mittlerweile, dass drei Brütereien in NRW männliche Küken ins Ausland abgeben. Tatsächlich habe einer der Betriebe angegeben, dass die Hähne dort getötet werden. Aus Sicht des Ministeriums sind die bisherigen Regelungen deshalb nicht ausreichend. NRW werde sich weiterhin für ein europaweites Kükentötungsverbot einsetzen.
Verbot von Kükentötung seit Anfang 2022
Seit 1. Januar 2022 dürfen Küken in Deutschland nicht mehr geschreddert oder vergast werden. Sie werden entweder als so genannte "Bruderhähne" aufgezogen oder durch Geschlechtsbestimmung aussortiert, bevor das Küken schlüpft. Doch die Methode ist umstritten.
Tierschützer weisen darauf hin, dass der Zeitpunkt der Geschlechtsbestimmung nach dem siebten Tag zu spät sei. Küken könnten dann bereits im Ei Schmerz empfinden. Ab Anfang 2024 sind daher nur noch Methoden erlaubt, die die Geschlechtsbestimmung bis zum siebten Tag ermöglichen. Innerhalb der Branche bezweifelt man, dass entsprechende Verfahren bis dahin marktreif seien.
Geflügelindustrie hatte auf Probleme hingewiesen
Darauf, dass Bruderhähne zur Tötung ins Ausland gebracht werden könnten, hatte bereits die Geflügelindustrie hingewiesen. Sie fordert daher ein europaweites Tötungsverbot. Bereits im Juni hatte sich der Bundesverband Ei mit einer entsprechenden Forderung an Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) gewandt.
Nur, wenn die heimischen Brütereien unter gleichen Bedingungen brüten könnten wie Wettbewerber im Ausland, könne ein hohes Maß an Tierwohl dauerhaft in Deutschland und der EU garantiert werden. Die neuen gesetzlichen Vorgaben in Deutschland hätten nicht alle Brütereien umsetzen können. Die Zahl der Betriebe sei von 19 im März 2021 innerhalb eines Jahres auf 12 Brütereien zurückgegangen.
Was kann ich als Verbraucher tun?
Wer selbst beim Einkauf darauf achten möchte, Eier ohne Kükentötung zu kaufen, kann sich bei deutschen Eiern trotz Verbots hierzulande nicht sicher sein. Darauf weist die Verbraucherzentrale hin. Hühner würden oft in anderen Ländern ausgebrütet, die das Kükentöten weiter erlauben - und dann zum Eierlegen nach Deutschland importiert.
Mittlerweile bieten viele Supermärkte allerdings Eier mit dem Logo "Ohne Kükentötung“ auf der Verpackung an. Problematisch bleiben weiterverarbeitete Produkte mit Ei, wie zum Beispiel Kekse, Kroketten oder Eiernudeln. Hier können Kunden nicht erkennen, woher das Ei kommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde.