Handwerkermangel | WDR aktuell 02:20 Min. Verfügbar bis 05.01.2027

Chef / Chefin gesucht: Handwerksbetriebe suchen Nachfolge

Stand: 06.01.2025, 07:42 Uhr

Vielen Handwerksbetrieben droht offenbar das Aus. Chefinnen und Chefs gehen in den Ruhestand. In NRW sind 20.000 Betriebe betroffen.

Von Johanna Esch

In NRW suchen in den kommenden fünf Jahren 20.000 Betriebe eine Nachfolge. Die Zahl kommt von der Handwerkskammer Düsseldorf.

Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Düsseldorf, Axel Fuhrmann | Bildquelle: WDR

Ihr Vorsitzender Axel Fuhrmann sagt, dass einige Betriebe keine Nachfolge haben: "Wir haben viele Bereiche, wo die Nachfolge zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar ist. Und wo sich auch die Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber große Sorgen machen."

Lucas Prominski ist 26 Jahre alt und Anlagenmechaniker aus Köln. Auch sein Chef geht bald in den Ruhestand. "Wir haben das Privileg, dass unser Chef zwei Kinder hat, die Anfang 30 sind und die das Unternehmen langsam übernehmen werden."

Deutschlandweit suchen 450.000 Betriebe laut "Bild am Sonntag" bis 2045 eine neue Chefin oder einen neuen Chef. Das ist fast jeder zweite Handwerksbetrieb. Die BamS hat diese Zahlen vom Handwerk-Zentralverband.

Nachfolgeproblem trifft auf Fachkräftemangel

In den nächsten Jahren gehen die geburtenstarken 60er-Jahrgänge in den Ruhestand. Und das trifft auf den eh schon großen Fachkräftemangel im Handwerk.

Maurer bei Arbeiten an einem neuen Apartmentgebäude | Bildquelle: Chromorange / newspixx vario images

Der ist besonders bei der Bauelektrik groß. Bei den Fachleuten für Elektroleitungen und Anschlüsse fehlen laut Institut der deutschen Wirtschaft 18.000 Menschen. In der Kfz-Technik sind es demzufolge mehr als 16.000. Auch in der Heizungs-, Sanitär- und Klimatechnik fehlen tausende Leute. Die Arbeitsagentur bestätigt die Probleme dort. Sie sieht auch große Probleme, Stellen bei Fleischern, Bäckereien und allgemein auf dem Bau zu besetzen.

Wochenlang warten auf Handwerkstermin

Aktuell müssen Kundinnen und Kunden im Schnitt knapp neun Wochen auf einen Handwerkstermin warten. Axel Fuhrmann, von der Handwerkskammer Düsseldorf warnt, die Wartezeit könnte in Zukunft noch länger werden: "Das wird definitiv zu einer längeren Wartezeit führen müssen. Das hängt sicherlich von der Branche und Region ab. Wir haben das in England erlebt. Wo man plötzlich feststellt, dass man zwei, drei Monate warten muss um einen Handwerker, eine Handwerkerin zu bekommen."

Lust aufs Handwerk könnte helfen

Gerade die Mischung aus Fachkräftemangel und der Nachfolgesuche für die Handwerksbetriebe befeuert das Problem, denn der Weg ist klassisch so: Ausbildung, Geselle, Meister und irgendwann übernimmt man vielleicht den Betrieb. Das heißt, es braucht mehr Personen im Handwerk.

Sophia Felkel ist 22 und kommt aus NRW. Sie macht eine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin. Sie versteht, warum sich junge Menschen nicht fürs Handwerk interessieren:

"Es gibt immer noch Betriebe, die an Mindestlöhnen festhalten. In der Arbeitssicherheit wird oft geschlampt. Und im Handwerk gibt es noch krasse Knochenjobs, die man nur wenige Jahre machen kann, bevor man kaputt geht." Sophia Felkel, 22, Azubi für Anlagenmechanik

Social Media gegen schlechtes Image

Der Anlagenmechaniker Lucas Prominski findet, dass das Handwerk lange einen schlechten Ruf hatte. Wenn er in seinen Anziehsachen vom Job in der Bahn saß, sei er abfällig angeguckt worden. Aber das ändere sich gerade: Viele reden bei Social Media über ihre Jobs im Handwerk und räumen mit vielen falschen Klischees auf. Zu Prominskis Einschätzung passt, dass die Azubizahlen in NRW laut Handwerkskammer Düsseldorf gerade nach langer Zeit mal wieder stabil sind.

Azubis besser bezahlen

Der Anlagemechaniker Prominski findet, dass Azubis besser bezahlt werden sollten. Das geringe Gehalt gerade zu Beginn des Arbeitslebens schrecke junge Menschen ab. Außerdem rät er jungen Menschen, ein Praktikum zu machen und zu testen, ob der Job was für einen sein könnte.

Eine ähnliche Idee gegen den Nachwuchsmangel kommt aus dem Norden. In Hamburg und Schleswig-Holstein gibt es ein Schnupperjahr für junge Leute. In dem Jahr kann man bezahlt mehrere Handwerksbetriebe kennenlernen. Die Handwerkskammer Düsseldorf fordert außerdem Bürokratieabbau, damit eine unternehmerische Selbstständigkeit attraktiver wird.

Starke Förderung von Frauen und Gründungen in NRW

In NRW wird die Meistergründungsprämie seit diesem Jahr auf bis zu 11.500 Euro erhöht. Bei der Übernahme eines bestehenden Betriebs kommt ein Bonus von 2.000 Euro dazu. Im Handwerk, wo Frauen unterrepräsentiert werden, erhalten Meisterinnen 2.500 Euro. Bei einer Gründung kann die Förderung sogar bis zu 16.000 Euro betragen - das gilt auch für im Ausland erworbene Berufsqualifikationen.

Unsere Quellen:

  • eigene Interviews mit Handwerkenden
  • Interview Axel Fuhrmann, Handwerkskammer Düsseldorf
  • Bild am Sonntag vom 05.01.2025
  • Deutsche Presse-Agentur